Alternative Wirtschaftssysteme: Gemeinwohl Ökonomie (Kritik)

Alternative Wirtschaftssysteme: Gemeinwohl Ökonomie (Kritik, pro und contra)

14.11.2016, letztes Update: 10.01.2022

Kurzfassung der Idee

Auch die Gemeinwohl Ökonomie (GWÖ, vom österreichischen attac-Kopf Christian Felber) muss sich Kritik stellen. Pro und contra sind abzuwägen.

Die Idee: Die GWO besteuert oder subventioniert Unternehmen auf Basis von „Gemeinwohl Bilanzen”. Die Bilanzen basieren auf größtenteils nicht messbaren, nicht objektiv vergleichbaren und leicht manipulierbaren Selbsteinschätzungen der Unternehmen. Um Subventionen bzw. die niedrigsten Steuersätze zu erhalten, muss ein Unternehmen sämtliche betrieblichen Daten, Kalkulationen, Gehälter, Geschäftsgeheimnisse, Lieferanten und Know How offen legen. Gewinne werden begrenzt.

Zahllose Konvente und Ausschüsse beschließen nach dem Vorbild der kommunistischen Räterepublik für Millionen Produkte (und Milliarden Vorprodukte), welche in welchem Maße ethisch oder sozial wertvoll sind und wie sie steuerlich belohnt werden.

Die Umsetzung muss global erfolgen: Alle Unternehmen in allen Ländern der Welt sollen gezwungen werden, alle Bedingungen zu erfüllen.

Bewertung: Kurzfassung

Dass relativ viele Menschen an der GWÖ interessiert sind, liegt vor allem an der Prominenz des attac-Spitzenfunktionärs Christian Felber. Die Absichten sind durchaus gut gemeint. Viele Ideen sind unterstützenswert und sympathisch. Teile wären vielleicht nur eine Frage des politischen Willens:

Gemeinwohl Ökonomie Kritik

Aber man fragt sich sofort: Wie in aller Welt (wobei “in aller Welt” wörtlich zu nehmen ist) misst man all diese Daten? Und zwar so, dass sie immer und überall korrekt sind und dass man sie weder fälschen noch umgehen kann? Zudem über die gesamte Wertschöpfungs- und Produktionskette? Noch dazu fair und vergleichbar, so dass hier die Ehrlichen nicht den Kürzeren gegenüber den Schummlern ziehen?

Die Antwort ist ernüchternd: Die Matrix ist völlig utopisch. Man kann nur wenige dieser Faktoren objektiv bzw. überhaupt messen.

Selbstauskunft mit abgenickter Prüfung

“Will man den Sumpf austrocknen, läßt man nicht die Frösche darüber abstimmen.”(Unbekannter Pariser Arbeiter, 1874)

Die Gemeinwohl-Ökonomen fragen die Frösche, ob ihr Teich trocken gelegt wurde. “Na klar”, antworten die Frösche und füllen nach einem bürokratischen Marathon eine Selbstauskunft (!) aus. Diese 47-seitige Berichtsvorlage der GWÖ sollen die teilnehmenden Unternehmen ausfüllen. Die ebenso bürokratische wie überhaupt nicht nachprüfbare Berichtsvorlage nickt am Ende ein Prüfer ab – für eine Gebühr von lediglich 50 €.

Wer schon einmal Berührung mit einer Steuerprüfung oder einem Qualitätssicherungs-Audit (DIN ISO 9001) hatte, fragt sich, was man für 50 € prüfen kann. 50 € entsprechen etwa einem halben Stundensatz eines sehr günstigen Steuerprüfers. In 30 Minuten kann man den “Gemeinwohl-Bericht” (Link zur Original-doc-Datei), der leer bereits 47 Seiten umfasst – allenfalls überfliegen. Für eine wirkliche Prüfung ist keine Zeit.

Das heißt: Der “Prüfbericht” wird lediglich abgenickt. Unternehmen können behaupten, was sie wollen. Die Beweiskraft liegt bei null. Aber als Marketinginstrument wirkt attraktiv es auf uninformierte Interessenten der GWÖ.

Kommen wir zu Vergleichszwecken zurück auf die weit verbreiteten Prüfungen / Audits zur Qualitätssicherung nach DIN ISO 9001. Dabei geht es nur um einen einzigen Aspekt: Die Prüfung, ob die Produktionsabläufe zu einer stetig gleichen Qualität führen. Alle anderen betriebswirtschaftlichen Aspekte werden nicht geprüft. Eine DIN ISO 9001-Zertifizierung kostet je nach Betriebsgröße 2.000 – 13.000 € pro Jahr. Nun sollen aber nicht einer, sondern alle Bereiche durchleuchtet und zertifiziert werden. Und zwar mit einer Genauigkeit und Objektivität, die der Betriebsprüfung durch Wirtschaftsprüfer entspricht – nur noch weitaus umfassender. Würde man das tun, lägen die Kosten jenseits aller betriebswirtschaftlichen Machbarkeit. Und weit jenseits der Motivation der Unternehmer.

Schon allein deshalb wird sich kein mittlegroßes oder großes Unternehmen freiwillig den Ideen von Herrn Felber unterwerfen – schon gar nicht in allen Ländern der Welt. Und selbstverständlich wird kein nennenswertes Unternehmen seine Geschäftsgeheimnisse offenbaren (sieh unten, Beispiel GWÖ-Teilnehmer “Vaude”), wie es Herr Felber fordert.

An allen Killkriterien gescheitert

Insgesamt erfüllt die Gemeinwohl Ökonomie keines der 3 Killkriterien für Ideen:

  1. Problemlösungsfähigkeit: Die GWÖ ignoriert die Hauptursachen von Arbeitslosigkeit und Niedriglöhnen. Die Finanzierung Öffentlicher Haushalte bleibt unklar.
  2. Umsetzbarkeit: Hier liegt das Konzept bei ca. 2% – nämlich bei einigen wenigen Genossenschaften sowie Kleinunternehmen aus dem sozialen Bereich. Die restlichen 98% aller weilweiten Unternehmen haben zahlreiche Gründe, nicht mitzumachen. Selbst wenn alle Unternehmen auf der Welt gesetzlich gezwungen würden, sich dem Modell zu unterwerfen: Mangels Messbarkeit und Objektivierbarkeit der Faktoren und aufgrund unplanbar komplexer weltweiter Produktionsprozesse ist die Umsetzung völlig unmöglich.
  3. Mehrheitsfähigkeit: Mit einer geschickten Werbekampagne und einem 3-stelligen Milliardenbudget für Marketing könnte das Modell für 1 Legislaturperiode mehrheitsfähig sein. Das anschließende Chaos bei der Umsetzung und die Ent-Täuschung der Wähler würden das Experiment schnell beenden.

Keine Motivation für mittlere und große Unternehmen

Die Gemeinwohl Ökonomie scheitert u.a. daran, dass kein Unternehmer bereit ist, dessen Bedingungen zu erfüllen – mit Ausnahme sehr weniger Genossenschaften sowie Kleinunternehmen aus dem Sozialbereich, die die Bedingungen heute schon erfüllen, weil es in der Natur ihrer Tätigkeit gehört und keine der o.g. Opfer erfordert. Der Beitrag solcher Unternehmen zur Volkswirtschaft ist verschwindend gering.

Die Sparda Genossenschaftsbank München ist eines von 2 mittelgroßen Unternehmen, das ein wenig mitmacht. Die Gemeinwohlbilanz der Sparda München liegt bei 55,9% des Maximalwerts und wird auch künftig nicht viel höher liegen, weil die Bank viele wichtige Daten verweigert. Schmankerl hier: Das Testat 2013/2014 gilt für 3 Jahre im Voraus – ohne neue Prüfung.

Das einzige nennenswerte Industrie-Unternehmen, das dort ein wenig mitmacht, ist Vaude, ein Hersteller von Luxus-Outdoor-Ausrüstungen wie Rucksäcken etc. Für Vaude ist es ein Marketing-Gag, hier ein wenig, aber nicht ernsthaft “mitzumachen”.

Die Gemeinwohlbilanz von Vaude finden man hier. Die Gemeinwohlbilanz von Vaude zeigt, dass solche “Bilanzen” auf nichts als der eigenen Einschätzung beruhen. Und selbst dieses “GWÖ-Vorzeigeunternehmen” kommt nur auf 502 von 1.000 möglichen Punkten, weil es wesentliche Forderungen der GWÖ nicht erfüllen will:

Gemeinwohlbilanz Kritik

Betriebswirtschaftliche “Abgasprüfung” – vorhersehbare Mogelpackung mit Klagefluten

Die 50 € Prüfgebühr für Gemeinwohlbilanzen decken maximal die Kosten für ein 20-minütiges Überfliegen von (ausgefüllt) rd. 100 Seiten Texten und Tabellen. Die Unternehmen kann also die Daten erfinden und manipulieren, ohne dass es auffällt. Und genau das werden gerade die großen Unternehmen tun. Das ist wie ein betriebswirtschaftlicher Abgastest.

Selbst wenn die Gemeinwohl Ökonomie zum globalen Gesetz würde (was vollkommen utopisch ist), genügte es für größere Unternehmen vollkommen, lediglich so wenig Anforderungen wie die Konkurrenz zu erfüllen. Bei komplexen Produkten wie Maschinen, Fahrzeugen, Chemieprodukten, Elektronik, etc. wären gewaltige Prüfprozesse über die gesamte Produktionskette mit zig Milliarden Transaktionen erforderlich, die Unternehmen vergleichen, die sich mit der Finanzverwaltung in hunderttausenden Gerichtsprozessen endlos und bei jedem neuen Produkt auf’s Neue darum streiten würden, was in welchem Umfang die Bedingungen von Herrn Felber erfüllt.

Prüfung von Milliarden Produktionsstufen für zig Millionen Unternehmen

Und schließlich gibt es noch die Möglichkeit, die Produktion komplett ins Ausland zu verlagern und sich dort für ein sehr preisgünstiges Schmiergeld das Abnicken der Prüfer zu kaufen.

Gemeinwohl-Ökonomie-Erfinder Christian Felber schreibt: “Alle Produkte müssten ihre Entstehungsbedigungen und -umstände preisgeben.” Herr Felber unterschätzt, wie komplex die Welt ist. Allein in Deutschland gibt es rd. 3,5 Mio. Unternehmen. Weltweit produzieren zig Millionen Unternehmen in X Milliarden Produktionsstufen hunderte Millionen Produkte, die Herr Felber prüfen will.

Nicht messbare Faktoren

Hinzu kommen Dinge, die gar nicht objektiv messbar sind, wie:

  • Menschenwürde
  • Gesundheit
  • Bildung
  • Teilhabe
  • sozialer Zusammenhalt
  • Kooperation mit anderen Unternehmen
  • ökologische Stabilität
  • Sicherheit
  • subjektives Wohlbefinden

Das ist gelinde gesagt nicht im Entferntesten umsetzbar.

Gemeinwohl Ökonomie in Kommunen

Die “Stiftung Gemeinwohl Ökonomie NRW” veröffentlichte am 03.09.2020 den Artikel “Steinheim ist erste Stadt mit GWÖ-Bilanz“. Da Kommunen und andere staatliche Strukturen im Unterschied zu Unternehmen ohne Profitorientierung arbeiten, sind relativ hohe Punktwerte bei den ohnehin selbst erstellten und damit nicht objektiv messbaren GWÖ Bilanzen natürlich leicht zu erreichen.

Wenn man die GWÖ Bilanz (pdf) der Stadt Steinheim betrachtet, fallen die Mängel, Unmöglichkeiten, Lücken und Willkürlichkeiten dieser Bilanz auf. Bei keinem einzigen Bilanz-Prozentwertwird erläutert, wie man diese Prozente konkret berechnet hat.

Einige Beispiele:

  • Bei Punkt C2.3 (“bewusster Umgang mit (Lebens-)Arbeitszeit werden “Wünsche der Mitarbeitenden eingebracht”. Aber werden sie auch berücksichtigt? Weitestgehend nein. Der städtische Bauhof hat feste Arbeitszeiten. Während der Öffnungszeiten des Rathauses ist die Anwesenheit der Verwaltungsangestellten (logischerweise) Pflicht. In den Kitas müssen ausreichend viele Erzieher/innen anwesend sein, wenn Kinder zu betreuen sind. Spielräume: Sehr gering. Bewertung in der Bilanz: 40%. Wie kommt man auf diese 40%? Schweigen.
  • Bei Punkten wie C3.1 oedr C3.2 schreiben die Autoren der Bilanz immerhin, dass diese Punkte “nicht zu beurteilen” sind.
  • Beim sehr wichtigen GWÖ-Thema “Gerechte Einkommensverteilung” (C4.1) verweist die Bilanz auf die Tatsache, dass alle Einkommen entweder per Gesetz (Bürgermeister) oder Tarifvertrag (niedrigste Lohngruppen) vorgegeben sind. Unterschied zu Kommunen ohne GWÖ-Bilanz: Keiner
  • Beim Mindesteinkommen (C4.2) gibt es sensationelle 100%. Wofür? Dafür, dass der Mindestlohn von 1.330 € netto zwar ein Leben am Existenzminimum bedeutet, aber über dem sehr geringen gesetzlichen Mindestlohn liegt. Warum 1.330 Euro Einkommen mit 100% bewertet wurden, erklären die Selbst-Bewerter nicht.
  • Punkt D1.3 “Faire Preise” ist irrelevant, da – wie die Stadt selbst schreibt – “die Erhebung von Steuern und Geführen gesetztlich normiert” ist. Unterschied zu anderen Kommunen: Keiner.
    Der in der GWÖ äußerst wichtige Punkt der Offenlegung von Lieferanten, Lieferketten und Bezugspreisen fehlt völlig. Trotzdem: Eigenbewertung 50%

Weitere Analysen, Kritik, kritische Meinungen

  • DiePresse.com: “Felber schwelgt in Enteignungsfantasien und predigt einen pseudoökonomischen Pseudokommunismus. Sein Demokratiemodell trägt den Keim einer neuen Kommandowirtschaft in sich. Nur der Vorwurf „Anarchomarxist“ ist falsch: Die von Felber erdachten pedantischen Vorschriften sind das Gegenteil von Anarchie. Bei Felber ist halt alles ganz einfach – blöderweise nur, wenn alle Menschen gleichgeschaltet wären und seine Überlegungen teilten. Dies ist angesichts der Unterschiedlichkeit der Menschen unwahrscheinlich.”
  • Der Standard: “Auch den Wettbewerb will Felber ausschalten. Fazit: Es wird “von oben” festgelegt, was produziert oder nicht produziert werden soll. Das alles hatten wir schon einmal – und es hat bekanntlich ein böses Ende genommen. – derstandard.at/1363706673800/Gemeinwohl-Oekonomie-Ideologische-Retro-Fantasien.”
  • Prof. Dirk Löhr – “Gemeinwohlökonomie – Die gute Kraft, die Böses schafft”:
    • “Felber möchte das Gemeinwohl durch einen demokratisch gewählten „Wirtschaftskonvent“ festlegen (mich persönlich erinnert allein schon die Sprache an die jakobinischen Wohlfahrtsausschüsse und jagt mir einen keinesfalls wohligen Schauer über den Rücken). Selbst wenn der Wirtschaftskonvent demokratisch gewählt ist, wird er sich zwecks Erlangung der Arbeitsfähigkeit aus einer begrenzten Anzahl von Menschen zusammensetzen, die aber ihre Anschauung allgemeinverbindlich macht. Hayeks „Anmaßung von Wissen“ bekommt hier eine neue Dimension. Mit der Allgemeinverbindlicherklärung der Werte und der Vorgabe des Weges ihrer Konkretisierung dürfte sich der Konvent über Minderheiten (wie mich) hinwegsetzen. Viele Kritiker befürchten an dieser Stelle totalitäre Züge. Diese Befürchtung erhält zumindest durch die von Felber (2012) beabsichtigten (Umerziehungs-) Programme in Schulen Nahrung: Wenn dort in Gefühlskunde, Wertekunde, Kommunikationskunde gezeigt wird, wie schlecht Wettbewerb für die Menschen ist, droht eine ideologische Schlagseite. Die GWÖ zielt nämlich darauf ab, den Menschen zu verändern, anstatt die Institutionen (s. dazu mehr unten). Auch dies ist ein Kennzeichen nicht nur von Religionen, sondern auch von totalitären Ideologien.
    • Die GWÖ steht zutiefst auf Kriegsfuß mit der Marktwirtschaft, ohne diese aber in ihrem Wesen verstanden zu haben.
    • Die Frage, ob und wie man die Marktwirtschaft zu Gunsten der Arbeitnehmer entsprechend umgestalten könnte (dies war das Anliegen von S. Gesell (1949) und H. George (1885)), wird von der GWÖ aber noch nicht einmal gestellt.
    • Auch die Konsumenten sollen sich an Gemeinwohlaspekten orientieren. Ist es aber die Aufgabe der Konsumenten, bei jedem Kauf (wie viele Produkte liegen bei mir jede Woche im Einkaufskorb?) die soziale und ökologische Angemessenheit der Produktion bis in die letzten Stufen der Wertkette zurück zu vollziehen? Ich behaupte, dass dies auch die beruflichen Spezialisten beim Einkauf weit überfordert – ein Problem, das bereits beim heutigen Zertifizierungs(un)wesen zutage tritt.
    • Auch die Rohstoffpreise sollen demokratisch festgelegt werden. Dies ist aber eine Pippi-Langstrumpf-Ökonomie: Felber macht sich so die Welt, wie sie ihm gefällt.
    • Wenn die Zinsen per Dekret begrenzt oder abgeschafft würden, machte das Kapital einen großen Bogen um Deutschland. Konsequenz: Mehr Knappheit, mehr Arbeitslosigkeit, mehr Umverteilung durch Zinsen, die dann versteckt gezahlt würden. Wenn Felber einen unentgeltlichen Zugang zu landwirtschaftlichen Flächen fordert, löst er nicht das Problem ihrer Zuteilung dieses knappen Gutes. Natürlich, die Antwort wäre: „das geschieht doch über die Gemeinwohlbilanz“. Nicht auszuschließen – ja geradezu wahrscheinlich-, dass dann unter dem Tisch auch noch Geld an die Zuteilenden fließt. Und: Die Bodenrenten werden durch das Dekret nicht abgeschafft. Vielmehr werden sie zwischen den korrumpierten Grundstückszuteilern und den korrumpierenden Grundstücksnutzern (hier im Kollektiv) aufgeteilt. Dieses Problem entgeht Felber freilich, weil die Kategorie der ökonomischen Rente (derzeit der zentrale Umverteilungsmechanismus in unserer Gesellschaft!) in der GWÖ offenbar gänzlich unbekannt ist.
    • Das Konzept GWÖ überzeugt nicht. Die Verteidigungslinie lautet entweder, dass der Kritiker „falschen Werten“ anhängt, oder aber es wird eingewandt, bei der GWÖ handele es sich um ein Konzept, das in der Entwicklung begriffen ist. Wissenschaftlich redlich ist das nicht; die GWÖ lässt sich so schwer falsifizieren, wie sich eine eingeseifte Sau am Schwanz fassen lässt. Bleibt die Frage: Warum laufen so viele Menschen dem Propheten Felber hinterher? Felber wedelt mit Werten, die tatsächlich als „universal“ gelten können. Die Probleme treten erst dann offen zu Tage, wenn diese Werte konkret in Maßnahmen umgesetzt werden sollen („Butter bei de Fische“). Dann zeigt sich des Geistes Kind. Ein weiterer Grund ist der „Alternativpopulismus“: Die Bewegung um Felber grast „als sich entwickelndes Konzept“ von Grundeinkommen bis zum Regionalgeld so ziemlich alles ab, was im alternativen Spektrum diskutiert wird. Um ein Einpassen muss man sich mangels eigener Theorie, die diesen Namen verdient, ja kaum kümmern.
  • Gegenargumente.at: “Gemessen wird da freilich nichts. Nicht alles kann man nämlich messen. Messen, sprich quantitativ erfassen, kann man nur Größen, die ihrer Natur nach quantitativ sind: Gewicht, Temperatur oder Längen. Dies trifft aber auf Rücksicht, Teilen, Solidarität, Empathie und dergleichen mehr mit Garantie nicht zu. Man kann empathisch, kann solidarisch sein oder auch nicht, man kann teilen usw. Eine Zahl kommt diesen Eigenschaften aber nicht zu, … Die andere absehbare Wirkung sind höhere Preise und damit eine Verkleinerung des Anteils am gesellschaftlichen Produkt, der den Arbeitnehmern zugutekommt. Der Lohn bleibt also … in seiner Rolle als Realisator des Gewinns von Unternehmern – auch in der Gemeinwohlökonomie die negative Größe der Wirtschaft. Kein Wunder daher, dass Christian Felber einen Mindestlohn für nötig hält. Die Höhe an die er denkt – noch nicht einmal 1500 Euro und das bei einem insgesamt höheren Preisniveau – spricht Bände über das Schlaraffenland, das in der Gemeinwohlökonomie ausbrechen wird!”
  • Streifzüge: “Es ist der größte Schwachpunkt der Gemeinwohlökonomie, dass man in diesem Konzept das eigene kurzsichtige ökonomische Interesse in einen vermeintlich großen Entwurf ummünzen will, und das sogar wortwörtlich. Den eigenen kleinen Unternehmer-Schrebergarten will man behalten und sich dabei „sinnvolle Investitionen“ und „wertvolle Beiträge zum Gemeinwohl“ an die Brust heften. Wie man den Kommunismus ablehnt, so liebt man die Vorstellung, als Chef oder Chefin mit ein paar Angestellten vor sich hin zu werkeln, „Risiken“ einzugehen, „selbstständig“ zu sein und „etwas zu leisten“ und – Achtung: maximale Gemeinwohlpunktesumme 100 – den mit eigener Leistung aufgebauten Betrieb nach dem eigenen Ableben den in seligem Angedenken an den gemeinwohlorientierten Mikropatron verbleibenden Mitarbeiterinnen zu übergeben.”
  • Hollerbusch: “Die Gemeinwohl-Ökonomie ist nicht für reale Menschen, sondern für ideale Menschen. … Keine (Antworten auf) Gegenargumente, nur Appelle an Ressentiments und Aufrufe zur Aktion.”
  • Social Innovation Network: “Wer die Geduld hat, möge bis zur nächsten Runde an Gemeinwohlbilanzen warten und darauf, dass Unternehmen, die keine Gewinne machen oder finanzielle Verluste, ökonomisch überleben.
  • Sustaineration: “Damit sich diese alternative Wirtschaftsordnung tatsächlich realisieren lässt, müssen jedoch Fragen nach u.a. Wettbewerb, Messung des Gemeinwohls, unternehmerische Gewinnerzielung geklärt werden.”

Fazit

Die Gemeinwohlökonomie ist ein totes Pferd und gelinde gesagt undurchdacht. Es löst kein Problem, weil es nicht im Entferntesten umsetzbar ist und zu Betrug und Manipulationen einlädt. Als Etikettenschwindel und Marketinggag wird die GWÖ von einigen Unternehmen benutzt, um Nachhaltigkeit und Offenheit vorzutäuschen. Kein Industrieunternehmen und keine Bank macht ernsthaft mit, weil niemand seine Kalkulationen, Kunden und Lieferanten offen legt.

Wer ein problemlösendes, umsetzbares und mehrheitsfähiges alternatives Wirtschaftssystem sucht, findet es im Economic Balance System. Und nein: Wir sind dabei natürlich nicht neutral.