Atommüll: Korruptions-Weltrekord des Bundestags? Finanzielle Dimension

Teil 1 dieser Serie erläuterte, warum der Atommüll-Freifahrtschein unter Umwelt-Aspekten der wahrscheinlich größte Korruptionsskandal in der Geschichte der Bundesrepublik ist. Auch finanziell ist diese Entscheidung der Weltrekord für den höchsten Schaden, den je ein Parlament verursachte.

Weitere Bescherung für Atomkonzerne

Für einen rein symbolischen Betrag von offiziell 23,6 Mrd. Euro genehmigte der Bundestag den Atomkraftwerk-Betreibern, sich von allen künftigen Kosten des Atommülls freizukaufen. Da der Beitrag über den Strompreis refinanziert wird, tragen die Stromkunden diese Kosten.

Tatsächlich zahlen die Konzerne also gar nichts. Im Gegenteil: Die AKW-Betreiber kassieren – wie in der Vergangenheit immer weiter – mindestens bis zum Jahr 2050.

Bis heute haben Bundestag und Bundesregierung den Atomkonzernen auf Kosten der Steuerzahler:

  • 60,5 Mrd. Euro Forschungskosten geschenkt
  • Steuervorteile von 44,2 Mrd. Euro durch die Nichtbesteuerung von Uran gegenüber Öl und Gas geschenkt
  • 8,7 Mrd. Euro Profite durch Emissionshandel zugelassen
  • 6,5 Mrd. Euro Kosten für die Sanierung des verseuchten Ostbergbaus der DDR auf Steuerzahler abgewälzt
  • Jeweils 2,3 Mrd. Euro und 3,8 Mrd. Euro für die Stilllegungen und Rückholungen des Atommülls alleine aus Morsleben und der Asse finanziert (Die Müllgebühren der Konzerne decken nicht einmal 1% dieser Kosten)
  • Einen Zinsvorteil in Höhe von 68,3 Mrd. Euro für den Rückbau von Zwischenlagern geschenkt.

Bis heute ergeben die Geschenke der Regierungsparteien an die Atomkonzerne etwa 203,7 Mrd. Euro. Bis 2050 sollen mindestens weitere 100 Mrd. Euro hinzukommen. Verglichen mit den Kosten für die Endlagerung sind diese Summen allerdings nichts.

Zwischenlager sind Endlager

Wie Teil 1 dieser Serie nachwies, gibt es kein sicheres Atomendlager. Die unterirdische Lagerung ist nach wenigen Jahrzehnten gescheitert. Daher werden die Lager, die man heute Zwischenlager nennt, auch die Endlager sein. Sie werden etwa so aussehen wie das Zwischenlager in Gorleben, das man auf Google Maps sieht:

Diese Lager verursachen hohe Kosten – u.a. für Gebäude, Personal und die technische Ausrüstung zum ständigen Umfüllen, wenn die Behälter das Ende ihrer Lebensdauer erreicht haben. Und vor allem benötigen sie eine Hochsicherheitsbewachung, denn Atommüll ist ein höchst attraktives Ziel für Terroristen, die „Dirty Bombs“ bauen oder zum Beispiel die Trinkwassernetze in Städten vergiften wollen. Die Kosten für ein solches Lager liegen heute im Millionenbereich.

Der finanzielle Schaden – ohne Zinsen und Inflation

Mal angenommen, es gäbe keine Zinsen und keine Inflation. Dann müssten „nur“ die jährlichen Kosten mit 1 Million Jahre multipliziert werden. Nehmen wir weiter an, die jährlichen Kosten für die sichere Lagerung und Hochsicherheitsbewachung läge für Deutschlands Atommüll bei lediglich 10 Mio. € (tatsächlich wird es im 6-7-stelligen Bereich liegen).

Das wären 10 Mio. € mal 1 Million Jahre, also 10 Billionen € Schaden, den die Bundesregierung und der Bundestag den Atomkonzernen zum Nulltarif abgenommen und den nächsten 40.000 Generationen aufgebürdet haben.

Eine Rechnung ohne Zinsen und Inflation bedeutet, dass jede der nächsten 40.000 Generationen die jährlichen Kosten zu tragen hätte.

Bundestag setzt Schadenersatz lt. BGB außer Kraft

Wendet man jedoch das Verursacherprinzip an, bei dem laut Bürgerlichem Gesetzbuch derjenige zum Schadenersatz verpflichtet ist, der den Schaden verursacht, müssten die Atomkonzerne heute Rückstellungen für 1 Mio. Jahre Folgekosten bilden. Der Bundestag setzte als Gesetztgeber zugunsten der Atomkonzerne die Schadenersatzgesetze des BGB außer Kraft, u.a. § 249. und § 823 BGB. Auch hier stellt sich die Frage: Warum?

Die Folgekosten beinhalten auch die jährlichen Kostensteigerungen– und damit auch den Zinseszins:

Zinseszins und Zahlen, für die es keine Bezeichnung gibt

Nehmen wir an, die Kosten für alle deutschen Endlager (von denen es zahlreiche geben würde), lägen bei lediglich 10 Mio. € im Jahr 2017. Im Jahr 2018 steigen die Kosten um 2% auf 10,02 Mio. €. Im Jahr 2019 steigen sie weiter, im Jahr 2020 ebenso, und so geht das immer weiter. Und zwar ca. 1 Million Jahre lang. Das nennt man exponentielles Wachstum.

Die Preisfrage lautet nun: Welche Summe kommt dabei heraus, wenn man die tatsächlichen Kosten des Atommülls über 1 Mio. Jahre berechnet?

Ein berühmtes Beispiel zur Veranschaulichung des Problems ist der „Josephspfennig“. Das Beispiel stammt aus dem Jahr 1772, erdacht vom Moralphilosophen und Ökonomen Richard Price. Angenommen, Joseph hätte für seinen Sohn Jesus 1 Pfennig zu 5% Zinsen angelegt. Dann würde daraus nach 1 Jahr 1,05 Pfennig, nach 2 Jahren 1,1025 Pfennig, nach 100 Jahren 101,31 D-Mark, usw. Nach 296 Jahren hätte der Zinseszins aus 1 Pfennig den Gegenwert von 1 Kilogramm Gold gemacht, nach 1.466 Jahren den Gegenwert einer Erde aus Gold, und nach nicht einmal 2.000 Jahren den Gegenwert von 134 Milliarden Erdkugeln aus Gold.

Der Illustrator Heinrich Hausmann schuf auf dieser Basis die nachfolgende Grafik.

Atommüll Korruption Bundestag Josephspfennig

Kritiker dieses Beispiels meinen, dass das Beispiel unrealistisch sei, weil es Kriege, Inflation und andere Einflüsse gebe, die diese Steigerung unterbrechen. Das ist richtig, aber überhaupt nicht der Punkt. Zudem müsse die Steigerung durch den Mangel an Geld zusammenbrechen. Das ist auch richtig, und genau das ist der Punkt. Es ist unmöglich.

Nun haben wir aber Atommüll, und der verschwindet weder durch Kriege noch durch Inflation. Atommüll bleibt. Er muss im Jahr 3.416 ebenso bewacht werden wie im Jahr 29.553 und im Jahr 946.382. Und jedes Jahr kostet das etwas mehr Geld.

Beim Josephspfennig geht es um einen Start mit 1 Pfennig und einer Laufzeit von weniger als 2.000 Jahren. Beim Atommüll geht es um hohe Millionenbeträge und eine Laufzeit von ca. 1 Million Jahre. Dafür reicht selbst die größte Zahl nicht aus, für die es einen Namen gibt: Die Duzentilliarde € (1 mit 1.023 Nullen).

Nun meint der Bundestag, man müsse einen Fonds mit Geld füllen, und diesen mit Zins und Zinseszins arbeiten lassen. Das sind die besagten 23,6 Milliarden €, die die Stromkunden den Atomkonzernen überweisen, die es wiederum in den Fonds überweisen.

Was der Bundestag verschweigt: Wo kommen eigentlich die Zinsen her, die der Fonds einnehmen muss, um die Atommüllkosten zu finanzieren? Diese Zinsen stammen von den Bürgern. Jahr für Jahr müssten die Bürger 40.000 Generationen lang Zinsen zahlen.

Es ändert also nichts. Die Bürger werden den größten finanziellen Schaden tragen, den es je gegeben hat. 1 Million Jahre. Und der Bundestag hat diesen Schaden angerichtet.

Nun ist die Frage: Warum? Kann der Bundestag tatsächlich so inkompetent sein? Oder haben Bundestag und Bundesregierung nun um diese Kosten gewusst oder sie zugunsten der AKW-Betreiber ignoriert? Gibt es einen Zusammenhang mit finanziellen Zuwendungen der Atomkonzerne an Politiker und Regierungsparteien? Die Frage möge jeder Bürger für sich selbst beantworten. Wobei die derzeit offensichtliche Verbindung von Bundesregierung, Bundestag und Automobilkonzernen beim Abgasbetrug ein gewisses Indiz sein mag.

Nach den ökologischen Konsequenzen wären auch die ökonomischen Konsequenzen entweder die größte Fehlkalkulation oder der größte Korruptionsskandal aller Zeiten.

Alternativen

Fest steht auf jeden Fall, nie war in der Geschichte der Menschheit irgendetwas auch nur annähernd so teuer wie Atommüll.

Nun werden manche Leser dieses Artikels vielleicht meinen, dass die Zahlen unrealistisch sind. Unrealistisch ist – wie Teil 1 dieser Serie zeigt – das Vergraben von Atommüll, um dann zu hoffen, dass die geologische Beschaffenheit des Untergrunds 1 Million Jahre still hält. Das „Endlager“ Asse hat nach nur 30 Jahren gezeigt, dass solche Illusionen unrealistisch sind. Unrealistisch ist es auch, zu glauben, dass in den nächsten 1 Million Jahren jedes Jahr Staaten und Regierungen vorhanden sind, die sich für den Atommüll verantwortlich fühlen und Jahr für Jahr Geld in die sichere Bewachung stecken wollen und können.

Erneut stellt sich daher die Frage nach Alternativen und Methoden zur Entsorgung von Atommüll.

Nach vielen Jahren Atomenergie und damit hohen Mengen radioaktiven Abfalls lassen sich extrem hohe Folgekosten nicht vermeiden. Derartiger Schaden fordert schlicht seinen Preis.

Teil 3: Die Alternativen

Im dritten Teil dieser Artikelreihe werden unterschiedliche Möglichkeiten zur Entsorgung und Lagerung von Atommüll vorgestellt. So viel sei vorab verraten: Es geht nur darum, sich für das geringste Übel zu entscheiden. Akzeptable Lösungen sind bisher nicht in Sicht.

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