Die mediale Hysterie um den Brexit wirkt: Schlecht informierte Bürger glauben, Großbritannien (bzw. das United Kingdom) gehe ohne EU-Mitgliedschaft unter. Richtig ist das Gegenteil: Der Austritt aus der EU ist eine Riesenchance für die Briten und eine Katastrophe für die EU. Werden die Briten ihre Chance nutzen? Eine ökonomische Analyse.

Bild oben: Londons Rathaus mit Tower Bridge. Foto: © economy4mankind

Argumente contra Brexit sind tatsächlich Argumente pro Brexit

Die Brexit-Paniker nennen – wenn überhaupt – Argumente gegen den Brexit, die bei näherer Betrachtung allesamt Argumente dafür sind. Betrachten wir sie einmal ganz sachlich:

Für wen ist ein sinkender Pfund-Kurs ein Problem?

Ein sinkender Kurs einer Währung hat stets 2 Effekte: Exporte werden billiger. Importe werden teurer.

Billigere Exporte bedeuten Preisvorteile und eine bessere Wettbewerbsfähigkeit für die britische Wirtschaft. Dass dies der britischen Wirtschaft nutzt, ist offensichtlich.

Billigimporte haben – nicht nur in Großbritannien, sondern auch in den USA, Frankreich und Südeuropa – inländische Industrieunternehmen und Arbeitsplätze vernichtet. Teurere Importe hingegen verteuern eingeführte Produkte, was von den Medien als Nachteil propagiert wird. Kurzfristig trifft es zwar zu: Importierte Produkte werden teurer für die Konsumenten und für die Industrie. Mittelfristig und langfristig haben teure Importe jedoch einen positiven Effekt: Konsumenten weichen auf einheimische Produkte aus – sofern sie bereits vorhanden sind. Sofern sie nicht vorhanden sind, muss die heimische Industrie nicht mehr mit Billig-Importen konkurrieren und hat nun den finanziellen Spielraum und die Motivation, solche Produkte selbst zu produzieren. So entstehen mehr und besser bezahlte Inlands-Arbeitsplätze.

Das sinkende Pfund ist also kein Problem für die Briten, sondern für Exporteure anderer Nationen, die nun mit höheren Preisen a) nach Großbritannien exportieren und b) auf dem Weltmarkt konkurrieren müssen. Einer der beiden großen Verlierer des Brexit ist (neben der EU) vor allem die deutsche Industrie, denn niemand exportiert bisher so viel nach Großbritannien.

Für wen in GB ist der Austritt aus dem Binnenmarkt ein Problem?

Was passiert mit Großbritannien nach dem Austritt aus der EU? Das Land hat dann das gleiche Verhältnis zum europäischen Binnenmarkt wie die USA, China, Japan, Korea, etc. Seit wann haben diese Länder irgendwelche Probleme, ihre Produkte in der EU zu verkaufen?

Zuwanderung und Arbeitsmarkt: Angebot und Nachfrage

Auch am Arbeitsmarkt gelten die ökonomischen Gesetze von Angebot und Nachfrage. In Großbritannien gibt es wie in Deutschland und dem Rest der Welt einen Mangel an Arbeitsplätzen und ein Überangebot an Arbeitnehmern bzw. Arbeitsuchenden. Ein Überangebot drückt die Preise. Deshalb ist die große Masse der Arbeit in allen Ländern der Welt „billig wie Dreck“, wie dieses Video von Professor Bontrup erläutert:

 

Das Hauptmotiv der britischen Wähler für den Austritt aus der EU ist die Ablehnung einer grenzenlosen Zuwanderung. Dieses Motiv teilen sie mit mindestens 100 Mio. Bürgern der EU (das wären lediglich knapp 20% aller Bürger – vermutlich ist die Zahl eher 3 x so hoch).

Mehr Zuwanderung bedeutet für den Arbeitsmarkt ein noch höheres Angebot von Arbeitnehmern. Ein noch höheres Angebot drückt die Preise für Arbeit – also die Löhne – noch weiter. Das betrifft zum Beispiel hoch qualifizierte Ingenieure, Ärzte, etc., die die Einkommen britischer Ingenieure und Ärzte drücken. Wobei  es ohnehin absurd ist, dass wirtschaftlich stärkere Länder den Schwächeren die leistungsfähigsten Arbeitnehmer entziehen.

Das Konkurrenz-Problem betrifft aber vor allem Jobs, für die keine oder eine geringe Qualifikation ausreicht. Pseudo-Linke machen sich darüber lustig, dass viele Einheimische Angst vor dem Verlust ihrer Arbeit haben, wenn Zuwanderer auf den Arbeitsmarkt drängen, die weder die Sprache sprechen noch Qualifikationen haben.

Nur: Die Zuwanderer lernen die Sprache gut genug für den Niedriglohnbereich und haben aus Arbeitgebersicht einen großen Vorteil: Sie unterbieten in ihrer Verzweiflung jeden Niedriglohn. Und überbieten jede bisherige Arbeitszeit. Lageristen, Kurierfahrer, Taxifahrer, etc. stehen also in einer Konkurrenzsituation mit Zuwanderern, in der sie nur verlieren können. Wer seinen Arbeitsplatz behält, muss sehr niedrige Löhne akzeptieren.

Was ist besser? Arbeitslos zu sein oder zum Niedriglohn arbeiten zu müssen und dabei die billigeren Produkte angeboten zu bekommen, von denen man sich viele nicht einmal leisten kann? Oder einen gut bezahlten Job zu haben, von dem man sich etwas höhere Preise leisten kann? Fragen Sie mal die Schweizer im Vergleich zu chinesischen Arbeitern.

Wer will also Zuwanderung? Die Arbeitgeber und die von ihnen finanzierten Parteien und Medien haben ein starkes finanzielles Motiv. Zuwanderung drückt die Lohnkosten, während die Kosten durch Zuwanderung vom Steuerzahler zu tragen sind.

Fachkräftemangel? Wäre schön!

Ein Hauptargument für Zuwanderung ist ein angeblicher Fachkräftemangel, der dadurch beseitigt werden soll, dass man die Fachkräfte ausgerechnet aus wirtschaftlich schwachen Ländern importiert. Es gibt jedoch nirgends einen flächendeckenden Fachkräftemangel – weder in GB noch in Deutschland. Einen Mangel gibt in in Gegenden, in die auch keine Zuwanderer ziehen wollen, sowie in Berufen, die miserablel bezahlt werden (klassisch: Altenpfleger). Das Märchen vom Fachkräftemangel haben alle, die wirklich Ahnung vom Thema haben und keine Arbeitgeber-Lobbyisten sind, längst widerlegt. So zum Beispiel DIW-Experte Karl Brenke oder ex-Jobcenter-Mitarbeiterin Inge Hannemann:

 

Abgesehen von wenigen Berufsgruppen und Regionen gibt es nirgends einen Fachkräftemangel. Das ist schon daran abzulesen, dass Fachkräfte stagnierende und teilweise sogar sinkende Löhne hinnehmen müssen. Je knapper Fachkräfte sind, desto stärker müssen nach den Gesetzen von Angebot und Nachfrage ihre Gehälter steigen. Daraus folgt: Ein Fachkräftemangel ist gut für Arbeitnehmer und Arbeitsuchende, aber schlecht für Arbeitgeber. Eine Zuwanderung von Fachkräften ist also zwingend logisch gegen die Interessen der inländischen Fachkräfte.

Zuwanderung am Wohnungsmarkt: Angebot und Nachfrage

Für die Brexit-Wähler war auch die Zuwanderung am Wohnungsmarkt ein starkes Motiv. Zuwanderer zieht es nicht in menschenleere Gegenden. Zuwanderer zieht es in Städte, wo es a) die meisten ihrer Landsleute gibt und b) die meisten Jobs zu vergeben sind. Daraus folgt zwangsläufig, dass sie die Wohnungsnot in Ballungsräumen verschärfen. Wohnraum ist ein existentieller Bedarf. In Großstädten (nicht nur in Großbritannien) sind selbst winzige Bruchbuden nur so teuer zu haben, dass einheimische Geringverdiener ebenso wie die Zuwanderer um die gleichen Wohnungen konkurrieren und jede verlangte Miete zahlen müssen. Das treibt die Mieten noch weiter nach oben. Selbst die Mittelschicht hat immer größere Mühe, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Das sind Zuwanderungskosten, die die Unterschicht und Mittelschicht zahlen müssen. Die Oberschicht berührt es nicht.

Die finanzielle Unterschicht und Mittelschicht haben also aus reiner Selbsterhaltung einen guten Grund, gegen Zuwanderung zu sein, so lange das Wohnungsangebot so niedrig und die Nachfrage so hoch ist. Mit dem Brexit sinken Mieten und Kaufpreise. Das ist unzweifelhaft ein Vorteil für Unterschicht, Mittelschicht und Studenten – und am meisten für einheimische Familien. Nun könnte der Staat so viele Wohnungen bauen, wie Zuwanderer und einheimische Unterschicht / Mittelschicht benötigen. Warum das keine Lösung ist, erläutere ich im späteren Artikel über das Thema Zuwanderung.

Aufschlussreich sind jedenfalls die Prognosen von Maklerverbänden, die durch den Umzug von Banken und deren Angestellten von London nach Frankfurt deutlich sinkende Mieten in London und explodierende Mieten in Frankfurt erwarten. Gut für Londoner – schlecht für Frankfurter.

Das Dilemma der Pseudo-Linken

economy4mankind ist links. Genauer gesagt: Real-links. Wenn Pseudo-Linke dies lesen,  werden sie durch das Aussprechen der nicht zu leugnenden ökonomischen Wirkung der Zuwanderung Schnappatmung bekommen. Wer gegen Zuwanderung ist – aus welchen Gründen auch immer, gilt in ihren Augen als rechts und „populistisch“. Das halten sie für ein Argument.

Tatsächlich ist eine Begrenzung der Zuwanderung links. Wer gegen die Interessen der Arbeitnehmer, Niedriglöhner und Arbeitslosen ist, ist nicht links.

Eine linke Lösung kann nur darin liegen, sowohl die inländischen Arbeitnehmer als auch die Armutsflüchtlinge (wir sprechen hier nicht von politischem Asyl) vor Armut zu schützen bzw. davon zu befreien. Es ist nicht links, die inländischen Armen gegen die zuwandernden Armutsflüchtlinge auszuspielen. Das sehe ich so wie die Real-Linke Sahra Wagenknecht, die deshalb von den Pseudo-Linken als „Rechtspopulistin“ diffamiert und von der taz gelobt wird. Oskar Lafontaine meinte dazu: „Wenn die Bevölkerung nicht mehr den Eindruck hat, dass linke Parteien sich um die Belange des kleinen Mannes kümmern, dann wird die Rechte stark.“ Mehr dazu in einem separaten Artikel über die ökonomische Betrachtung der Zuwanderung.

Luxemburgs Geschäftsmodell für Großbritannien?

Es entbehrt nicht eine gewissen Ironie und Komik, dass die britische Premierministerin damit droht, das Geschäftsmodell von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zu kopieren. Als Premierminister Luxemburgs machte Juncker aus seinem Land eine Steueroase, die zu massiven Steuerverlusten und Schuldenbergen in ganz Europa führte. Juncker ist damit einer der Hauptverantwortlichen der europäischen Schuldenkrise. Wie kann man Großbritannien vorwerfen, was Luxemburg und der EU-Kommissionspräsident durften?

Eine Steueroase ist kein sinnvolles Geschäftsmodell für Großbritannien. In kleinen Steueroasen wie Luxemburg, Liechtenstein, Gibraltar oder Malta bringen Briefkastenfirmen relativ viel. In einer großen Volkswirtschaft wie Großbritannien lägen die Mehreinnahmen durch Mini-Steuern für Briefkastenfirmen und deren wenige zusätzliche Angestellte zu gering gegenüber den allgemeinen Steuerausfällen. Unterm Strich würden massive Löcher im Staatshaushalt stehen.

Diplomatisches Säbelrasseln

Wenn man zwischen den Zeilen liest, sieht man, dass die britische Premierministerin May lediglich mit dem Säbel rasselt. Das macht absolut Sinn. Bisher sieht es so aus, dass die irrationalen Hardliner in der EU wie Schäuble, Merkel, Juncker und Schulz an den Briten ein Exempel  statuieren wollen: Wer die EU verlässt, soll in die Knie gezwungen werden – vor allem durch Zugangs-Schikanen zum Binnenmarkt.

May’s Handelsminister Hammond sagte daher lediglich: “Wenn wir keinen Zugang haben zum europäischen Markt, wenn wir ausgesperrt werden, wenn Großbritannien die Europäische Union verließe ohne eine Übereinkunft über einen Marktzugang, dann könnten wir zumindest kurzfristig wirtschaftlichen Schaden erleiden. In diesem Fall könnten wir gezwungen sein, unser Wirtschaftsmodell zu ändern.” Das heißt: Gibt es keine Schikanen seitens der EU, sondern den gleichen Zugang zum Binnenmarkt, den die USA, Japan, China, Korea etc. haben,  gibt es auch keinen Grund für die Steueroase.

Brexit als Anfang vom Ende der EU

Aus den oben genannten Gründen bringt eine nationale Kontrolle über Zuwanderung und Binnenmarkt enorme Vorteile für die breite Masse der Bevölkerung. Wenn die Briten es nicht ungeschickt anstellen, werden sie die britische Industrie aufbauen. Das ist zwar angesichts der wichtigsten Ursachen von Arbeitslosigkeit und Niedriglohn keine dauerhafte Lösung, aber besser als ein „weiter so“ wie im Rest Europas.

Alle anderen Länder werden sehr genau beobachten, wie sich Großbritannien im Vergleich zum Rest der EU entwickelt. Sehen Italien, Griechenland, Spanien, Portugal , Belgien und vor allem Frankreich, dass es ohne EU besser für die breite Masse der Bevölkerung läuft, gibt es einen Domino-Effekt: Itaxit, Grexit, Spaxit, Porxit, Belxit und Fraxit. Dann ist die EU erledigt. Das wissen auch Schäuble & Co. Und genau deshalb schießen sie aus allen Rohren gegen Großbritannien.

Das Dumme ist nur: Selbst wenn Schäuble, Schulz, Juncker & Co Erfolg mit der Schikane Großbritanniens haben sollten, bleiben alle Probleme der EU ungelöst. Statt die Problemursachen zu beseitigen und Akzeptanz der Bürger zu erreichen, ignorieren die Herrschaften des “Raumschiff Brüssel” bisher jeden Weckruf. Wenn die EU den Bürgern nicht nutzt, sondern nach unten zieht, zerstören sie die eigentlich gute Idee Europas.

Die Alternative und langfristige Lösung

Das sinnvollste Konzept ist der Aufbau der eigenen Wirtschaft mit der Unterbeschäftigungssteuer und den Umsatzprovisionen von economy4mankind.

 

von Jörg Gastmann, 15.01.2017

 

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