Offener Brief an das Bündnis Grundeinkommen

Der ehemalige stellvertretende Vorsitzende der Partei “Bündnis Grundeinkommen” Arnold S. schrieb uns heute eine Mail, die wir gern in einem offenen Brief beantworten möchten. Anlass waren 2 Facebook-Postings und Blogartikel. Im ersten hatten wir vor der Wahl unter “Grundeinkommenspartei verschenkt ihr Potential” ihr sehr schlechtes Abschneiden vorausgesagt. Im zweiten Posting / Artikel “Gütersloh will bedingungsloses Grundeinkommen” haben wir analysiert, warum 0,2% (und sogar nur 0,4% unter BGE-Befürwortern) trotz umfangreicher Medienpräsenz ein Reinfall sind, und warum das Modell der Schlüssel zum Erfolg ist.

Update 30.09.: Email von Arnold S als Antwort auf unsere unten folgende Einladung zum Weiterdenken:

“Danke nein, lieber Herr Gastmann mailen Sie mich bitte nicht mehr an. Für mich ist die Diskussion hier beendet.”
Arnold Sch., Initiator bgeserver.de, bis 26.3.2017 stellv. Bundesvors. BGE

Die Facebook-Diskussion und die Mail zeigen, dass bisher noch kein Umdenken in Sicht ist. Den Namen haben wir anonymisiert. Die Zwischenüberschriften haben wir zwecks Lesbarkeit / Übersichtlichkeit nachträglich eingefügt.

Unsere Mail an den Vorstand des Bündnis Grundeinkommen

Hallo Herr S.,

vielen Dank für Ihre Initiative! Ich nehme an, daß Sie mir schreiben, weil Sie die Diskussion mit Ihrer Parteikollegin Anke D. in der Facebookgruppe Bedingungsloses Grundeinkommen verfolgt haben:

Weil es so wichtig ist, tue ich etwas, was sich sonst höchst selten tue: Ich nehme Ihre Mitstreiter in cc., auf dass es bei Ihnen auf Grundlage vollständiger Informationen eine parteiweite Diskussion über die weitere Strategie geben möge. Auch wenn die o.g. Facebook-Diskussionen zeigen, dass manche in der Partei keinerlei Anlass sehen, sich weiter zu entwickeln und über eine erfolgreichere Strategie nachzudenken.

Warum das Scheitern anderer Kleinparteien kein Maßstab ist

Den Wikipedia-Artikel https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Demokratische_Partei_(2004) kannte ich gar nicht. Vielen Dank für den Hinweis. Er ist unvollständig und ganz offensichtlich fehlerhaft. Ein Wikipedia-Autor behauptet, es hätte außer in Bayern keine Landesverbände gegeben. Richtig ist: Es gab 7 Landesverbände, die allesamt rechtlich anerkannt waren.

Wie Sie in dem Artikel lesen können, hat die ddp 2010 und 2011 (also in der Zeit, in der ich dort Mitglied und Bundesvorsitzender war) an 3 Landtagswahlen teilgenommen, und zwar in NRW, Rheinland Pfalz und Berlin. Wie soll das möglich gewesen sein, wenn wir nur in Bayern einen Landesverband gehabt hätten? Das beste Wahlkreisergebnis war übrigens in einem Wahlkreis an der Mosel, wo wir dank Wahlkampf von lokalen Mitstreitern über 5% erhielten (wurde bei Wikipedia gelöscht, stand dort früher). Bundestagswahlen fanden 2010 und 2011 nicht statt. Also konnten wir auch nicht daran teilnehmen. Entgegen Ihrer Behauptung hatten wir nachweislich sehr wohl einen Parteistatus nach dem Parteiengesetz. Die ddp ist auch entgegen Ihrer Aussage nicht mehr „meine“ Partei. Schon seit 2011 nicht mehr, als ich ausgetreten bin, weil es keinen Sinn macht, sich in einer Kleinpartei zu engagieren, über die die Medien grundsätzlich nicht berichten wollen. Ich bin seitdem parteilos.

Ebenso wie das Bündnis Grundeinkommen ist die ddp krachend gescheitert. Bei Ihnen sind es 0,2%, bei uns waren es bei 2 Landtagswahlen fast 0,1%. Sie sind also ebenso wie wir – wie Sie es ausdrücken – “auf die Schnauze geflogen” – aber aus anderen Gründen, und trotz weitaus besserer Chancen. Unser einziges Problem war die fehlende Medienpräsenz. Ohne Medienpräsenz wissen die Wähler nicht, dass es eine Kleinpartei gibt, und sie erfahren nichts über das Programm.

Die bekannteste Kleinpartei Deutschlands mit dem fast allen bekannten Programmpunkt

Das Bündnis Grundeinkommen hatte dagegen  – mit 2 Ausnahmen – beste Voraussetzungen für ein sehr gutes Ergebnis. Bis auf Menschen, die kein Internet haben (wollen), keine Zeitung lesen und kein TV schauen, sollte jeder Wähler schon mal etwas über das BGE gelesen oder gehört haben.

Kleine Auswahl aus https://www.economy4mankind.org/guetersloh-will-bedingungsloses-grundeinkommen/:

Auf Ihrer Website nennen Sie weitere Medienpräsenz wie z.B. https://ni.buendnis-grundeinkommen.de/2017/09/06/presseecho-radio-zusa-beitrag/ und https://ni.buendnis-grundeinkommen.de/2017/09/05/presseecho-beitrag-von-radio-leinehertz/. Und dabei geht es nur um Ihre Partei. Zum Thema BGE gibt es zigtausende Medienberichte, und in Deutschland gibt es unzählige BGE-Initiativen und Aktivisten. Bei Google gibt es zur Suche nach „BGE“ 9,5 Millionen Webseiten als Ergebnisliste. Zu „bedingungsloses Grundeinkommen“ listet Google 369.000 Webseiten auf.

Die beiden Gründe für den Reinfall

Das Thema ist nicht nur omnipräsent. Es ist auch grundsätzlich bei rd. der Hälfte der Wähler (Sie nennen auf Ihrer Homepage sowie unter https://nrw.buendnis-grundeinkommen.de/ die Zahl von 52%, was ich für realistisch halte) positiv besetzt. Davon können andere Parteien nur träumen.  „Grundsätzlich“ heißt genau gesagt: Die Hälfte der Menschen würde es wollen, aber etwas hält sie davon ab, es zu wählen. Das hat 2 Gründe.

Nur 1 Programmpunkt statt Volksentscheide

Den einen Grund lesen Sie unter https://www.buendnis-grundeinkommen.de/kleinparteien-stellen-sich-vor-tagesspiegel/:  „…fallen sie damit unter die Ein-Themen-Parteien, die in der anschließenden Vorstellungsrunde etwas verblassen.“

Die allermeisten Wähler erwarten von einer Partei Programmpunkte zu allen wichtigen Themen. Die Strategie des Bündnis Grundeinkommen, bloß nichts anzubieten, gegen das irgendjemand sein könnte, ist für die meisten Wähler ein Grund, sie nicht zu wählen. Habe ich oft gehört und gelesen.

Ich empfehle hier eine Kompromisslösung, die auch sehr populär ist: Bieten Sie Volksentscheide an zu allen wichtigen Themen, bei denen diese möglich sind: Ob TTIP, CETA, TiSA, Euro, Auslandseinsätze der Bundeswehr, NATO-Mitgliedschaft, Zuwanderung, Mindestlohn, Überwachung, und so viele andere Themen: Die Mehrheit der Wähler findet eine Partei attraktiv, die einen demokratischen Volksentscheid dazu anbietet. Dann sind Sie keine 1-Themen-Partei mehr.

Gegenargumente werden unbeantwortet gelassen

Der zweite Grund, der Wähler von der Wahl Ihrer Partei abhält, ist auch nachvollziehbar: Es gibt eine Vielzahl von gewichtigen Gegenargumenten, die unter https://www.economy4mankind.org/bge-vergleich-probleme-alte-modelle/ zusammengefasst sind. Siehe auch:

Auf die meisten Gegenargumente bietet das Bündnis Grundeinkommen keine Antwort. Das schreckt die Wähler ab. Auf Facebook lesen Sie in den o.g. Diskussionen, dass die Gegenargumente einfach nicht anerkannt werden. Zum Beispiel zum o.g. Artikel von Jens Berger schreibt jemand, man könne BGE-Gegenargumente nicht ernst nehmen, weil sie von einem BGE-Gegner kämen (!), und die Nachdenkseiten seien sowieso doof…

Antworten auf ALLE Gegenargumente

Unter http://www.neulandrebellen.de/2017/08/antwort-auf-bge-gegenargumente-das-steuerspar-bge/ finden Sie Antworten auf ALLE Gegenargumente gegen das BGE. Bzw. nicht gegen „das“ BGE, denn es gibt 2 Arten von Modellen. Die alten Modelle:

  • sind jämmerlich niedrig und nicht existenzsichernd (wenn man leben und nicht bloß überleben will)
  • kapitulieren vor dem Kapitalismus und der Profitmaximierung
  • verteilen Geld durch Steuern um,
  • lassen (bei einer Mehrwertsteuerfinanzierung) die Preise explodieren
  • bewirken durch ihren Kombilohncharakter (Götz Werner: „Das Gehalt kann um die Höhe des BGE gekürzt werden“) einen Boom bei Leiharbeit und Niedriglohn
  • schaffen den Sozialstaat ab und verlagern die Sozialversicherung komplett von Arbeitgebern auf Arbeitnehmer / BGE-Empfänger
  • sind bei der Finanzierung durch Einkommensteuern nicht mehrheitsfähig
  • setzen bei Modellen wie der Finanzierung durch Transaktionssteuern etc eine globale Umsetzung voraus, die nicht kommen wird

Unter https://www.economy4mankind.org/bge-bedingungsloses-grundeinkommen/ finden Sie eine ganz andere Art von BGE:

  • Als Gehalt von der Wirtschaft finanziert
  • Mindestens 2.000 €
  • Keine Leiharbeit mehr möglich
  • Kein Niedriglohn mehr möglich
  • Keine Arbeitslosigkeit mehr
  • Die Wirtschaft wird den Interessen aller Menschen untergeordnet, ohne kommunistisch zu sein

“Nein, nein und nochmals nein. Alles super. Kein Grund zum Nachdenken.”

Ihre Aktivistin Anke D. lehnt das „Steuerspar-BGE“ (das sie nicht gelesen hat) ab, weil es bereits ein fertiges Konzept ist. Sie wählte in der Facebook-Diskussion den Vergleich mit einem Haus, das man baue. Da gebe es eine Ausschreibung für eine möglichst hohe Zahl an Architekten. Das ist richtig. Aber wer gewinnt eine Ausschreibung? Ein einzelner Architekt bzw. ein sehr kleines Architektenteam. Zu viele Köche verderben den Brei. Wenn 61,7 Mio. Wähler an einem Projekt arbeiten, kann das nichts werden. Der eine will lieber auf dem Land wohnen und die andere in der Stadt. Die eine will ein Energiesparhaus mit kleinen Fenstern, der andere riesige Glasflächen. Die eine will Holz, der andere will Stein.

Das Modell ist der Schlüssel zum Erfolg

Ich biete Ihnen allen, die sie auch in cc stehen, genau das an, was Ihre Partei am dringendsten benötigt: Ein Modell, das Wähler überzeugt. Ein Modell, bei dem noch niemand ein Gegenargument gefunden hat außer „will ich nicht“.

0,2% bei der riesigen Bekanntheit und so viel grundsätzlichem Wohlwollen sind ein Ergebnis, das weit, weit, weit unter Ihren Möglichkeiten liegt. Unterschriftensammlungen kann man damit ganz einfach schaffen. Aber beim Wahlergebnis schlägt die Stunde der Wahrheit.

Es ist nicht so, dass sie ohne Modell in den Wahlkampf gegangen sind. Vor allem ein bestimmtes Modell ist durch dessen Medienpräsenz im Kopf der Wähler. Die Wähler denken an das Götz Werner-Modell, und das ist – siehe oben von Professor Butterwegge über Patrick Spät bis zu Professor Flassbeck – Gift für den Arbeitsmarkt und Sozialstaat.

Kirchhof und die neoliberalen Irren von der AfD sind kein Vergleich

Das Kirchhof-Modell, das Sie als Argument nennen, ist ein neoliberales Modell, das Reiche entlastet und Geringverdiener belastet. Damit kann man keine Wahl gewinnen, auch wenn es keine Wahl entschieden hat. Nicht zufällig haben die neoliberalen Irren von der AfD das Kirchhof-Modell im Programm. Aber auch dort interessiert es keinen Wähler.

Unser Angebot zur Unterstützung

Ich schließe mit der Frage auch an alle in cc: Nehmen Sie unsere Anregung zu einer ergebnisoffenen, zielorientierten Evaluierung aller Modelle an? Nehmen Sie unsere Anregung an, VOR der nächsten Wahl mit einem konkreten Modell anzutreten, gegen das es keine Gegenargumente gibt und das allen Menschen am meisten nutzt? Dann unterstützen wir Sie gern.

Übrigens finde ich Ihre Transparenz sehr lobenswert, die Protokolle Ihrer Vorstandssitzungen zu veröffentlichen. Im Sinne der Transparenz haben Sie sicherlich nichts dagegen, wenn ich diese Mail als offenen Brief in unserem Blog veröffentliche.

Ich bin gespannt, ob und wie diese Mail in Ihrer 42. Vorstandssitzung am 12.10. (oder danach) diskutiert wird.

IM ÜBRIGEN BIN ICH DER MEINUNG; DASS DAS MODELL DER SCHLÜSSEL ZUR REALISIERUNG UND ZUM WAHLERFOLG DES BGE IST!

Herzliche Grüße,

Jörg Gastmann

Sprecher

economy4mankind

Steinbreche 28

51427 Bergisch Gladbach

Tel. 02204 / 914 901-0

https://www.economy4mankind.org

 

Die Email des ex stellv. Bundesvorsitzenden des Bündnis Grundeinkommen

—–Ursprüngliche Nachricht—–
Von: A.S. [mailto:xxxxxxx.xxxxx@b-ge.de]
Gesendet: Samstag, 30. September 2017 09:30
An: gastmann@economy4mankind.org
Betreff: https://www.economy4mankind.org/guetersloh-will-bedingungsloses-grundeinkommen/

Hallo Herr Gastmann,

wenn wir alles so falsch gemacht haben, wie sie behaupten, dann frage ich mich, warum die ddp-partei https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Demokratische_Partei_(2004)

niemals zu Wahlen angetreten ist.

http://arnold-schiller.de/buendnis-grundeinkommen-gegruendet/ ist unsere Gründungsgeschichte, was natürlich nur die halbe Wahrheit ist. Denn gründen hätten wir natürlich schon im April oder Mai 2016 können, wenn wir hätten auf die Schnauze fliegen wollen.

Paul Kirchhof ist das beste Beispiel dafür, wie man in der deutschen Politik sogar mit einem komplett ausgearbeiteten Gesetz und mit der Volkspartei CDU im Rücken auf die Schnauze fliegen kann.

Selbst wenn das Bündnis Grundeinkommen sich für irgendein Modell entschieden hätte, hätte die Partei nicht besser abgeschnitten, wahrscheinlich sogar wesentlich schlechter bzw. was noch wahrscheinlicher wäre, sie hätte nicht die Unterstützerunterschriften in allen 16 Bundesländern bekommen und wäre niemals angetreten.

Wir haben den Parteistatus im Gegensatz zu ihrer ddp-Partei nicht grundlos geschafft. Ja wäre schön, wenn der Rest der Idee auch noch geklappt hätte, aber daran dass man sich für kein Modell entschieden hat, daran lag es definitiv nicht.

Viele Grüße,

A.S.

Initiator bgeserver.de bis 26.3.2017 stellv. Bundesvors. BGE

Tel: +49 152 xxxxxxxxx

Mail: xxxxxxx.xxx@bgeserver.de

Homepage: https://bgeserver.de/

Mailinglisten: https://lists.bgeserver.de