„Zahl der offenen Stellen in Deutschland so hoch wie nie zuvor“ jubeln die Regierungssprecher beim Spiegel. “Es mangelt in Deutschland derzeit nicht an Stellenangeboten” jubeln die Regierungssprecher der Süddeutschen Zeitung. Der ganze Chor der Regierungssprecher hat nicht verstanden, daß Stellenangebote keine offenen Stellen sind. Oder sie wissen und verschweigen es, um wie beim angeblichen Fachkräftemangel die Interessen der Bundesregierung und Unternehmenseigentümer zu vertreten.

Schon die Methodik der IAB-Statistik offenbart den statistischen Blindflug: Da man keinerlei echte Daten hat, muss man eine Umfrage durchführen, die auf nichts basiert als auf unüberprüften Behauptungem. Diese Behauptungen werden dann hochgerechnet zu einer Statistik, die mit der Realität eher wenig zu tun hat. Welcher Journalist hinterfragt kritisch die Qualität dieser angeblichen Statistik? Keiner.

Blick hinter die Kulissen

Ich habe 2 Jahre als Arbeitsvermittler für Hochqualifizierte gearbeitet. Dabei habe ich Arbeitgeber kontaktiert, die Stellenangebote veröffentlichten:

  • auf ihren eigenen Websites
  • in Stellenbörsen wie Stepstone
  • in der Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit
  • als Stellenanzeigen in Printmedien

Sobald ein Stellenangebot erschien, habe ich den Arbeitgebern wirklich gute Bewerber vorgestellt, deren Qualifikationen genau zur vakanten Position passen. Genauer gesagt: Meist blieb es beim Versuch, denn fast immer sagten mir die Personalabteilungen, die Positionen, deren Stellenangebot gerade erst erschienen, seien schon besetzt.

Das erschien mir unglaubwürdig. Und nicht nur das: Exakt die gleichen Stellenangebote erschienen erneut bzw. blieben auf der Website. Meine Kollegen erklärten mir, was mir hinter vorgehaltener Hand auch die Personalabteilungen bestätigten: Die meisten offenen Stellen gibt es gar nicht. Sie werden aus drei Gründen verbreitet:

1. Fiktive Stellenangebote als Marketing

Wie denken Sie über ein Unternehmen, dass keine offenen Stellen hat? Läuft wohl nicht so gut. Wächst nicht. Stagniert. Wömöglich bald pleite?

Um diesen Eindruck zu vermeiden, betreiben Unternehmen “fiktive Stellenangebote als Marketing”. Das wird bei der IAB-Umfrage nicht anders gewesen sein. Die Unternehmen erwecken durch fiktive Stellenangebote den Eindruck, sie seien erfolgreich und würden immer weiter wachsen.

Ein zweiter Aspekt ist dabei die Wirkung auf (potentielle) Kunden. Sie sind (neben einer extremen Anforderung an Bewerber) einer der beiden Hauptgründe für die enorm hohen Qualifikationen, die in den meisten Stellenangeboten gefordert werden. Ein (potentieller) Kunde denkt dann: “Wow, was ist das für ein Top-Unternehmen, dass nur dermaßen hoch qualifizierte Mitarbeiter einstellt.”

2. Stellenangebote ohne konkreten Bedarf

Viele Unternehmen sagen (nicht nur bei der IAB-Umfrage): “Gute Leute können wir immer gebrauchen. Wir suchen immer.” Das ist richtig. Aber das heißt nicht, dass aktuelle eine Stelle frei ist, sondern dass man schon mal Kandidaten für den Fall sammelt, dass künftig eine Stelle frei werden könnte. Daß heißt: Aktuell offene Stellen: Null.

Hinzu kommt, dass Arbeitgeber bei noch besseren Kandidaten die vorhandenen Mitarbeiter gern mal austauscht, um die maximale “Performance” bei den “Human Resources” zu erreichen. Das heißt: Ein bisheriger Mitarbeiter wird gefeuert, ein noch vielversprechenderer wir stattdessen eingestellt. Zusätzliche offene Stellen: Null.

3. Illusion vom Fachkräftemangel aufrecht erhalten

“Die Klage ist das lied des Kaufmanns.” (Volksweisheit)

Deutschlands Wirtschaft geht es so gut wie nie und besser als in jedem anderen Land der Welt. Kein Grund für Unternehmer und deren Lobbyisten, nicht unaufhörlich zu klagen über zu hohe Steuern, zu hohe Sozialabgaben zu hohe Löhne, zu viel Bürokratie, und natürlich über den angeblichen Fachkräftemangel.

Dass es keinen nennenswerten und flächendeckenden Fachkräftemangel geben kann, erkennt man ganz einfach daran, dass – nach den Regeln von Angebot und Nachfrage – die Gehälter der Fachkräfte viel höher sein müßten. Karl Brenke vom DIW hat den Mythos vom Fachkräftemangel entzaubert.

Arbeitgeber-Gründe für unbesetzte Stellen

Warum werden offene Stellen nicht besetzt? Schauen wir uns die Hauptründe an, die die befragten Arbeitgeber der dem IAB nannten:

  1. “Zu wenige Bewerber” (24%)
  2. “Fehlende Bereitschaft der Arbeitsuchenden, die Arbeitsbedingungen zu erfüllen” (12%)
  3. “Zu hohe Gehaltsforderungen (12%)
  4. “Unzureichende Qualifikation” (18%)

Noch vor 10 Jahren bewarben sich meist 20-50 Bewerber auf eine offene Stelle. Heute bewerben sich meist 4-5 Bewerber auf eine Stelle. Das nennen Arbeitgeber einen Mangel. Dass sie gern eine maximale Auswahl hätten, ist durchaus verständlich. Aber zu wenige Bewerber gibt es nur in sehr abgelegenen Regionen und in sehr wenigen Berufen.

“Fehlende Bereitschaft der Arbeitsuchenden, die Arbeitsbedingungen zu erfüllen” bedeutet: Harte körperliche Arbeit, Schichtdienst und ähnliche unattraktive, familienfeindliche Arbeitsbedinungen. Solche Stellen bleiben hoffentlich für immer unbesetzt.

Zu hohe Gehaltsforderungen erinnern mich an die Karikatur des genialen Thomas Plaßmann vom 05.05.2017: Ein Chef sitzt hinterm Schreibtisch, der Bewerber davor. Bewerber: “Gehaltsvorstellung? …Also… meine Miete würde ich schon gern zahlen können…” Chef: “Potztausend” Sie gehen aber ganz schön ran, junger Freund!”

Unzureichende Qualifikation: Das Problem des “Mismatch” wird immer größer. Die Anforderungen der Arbeitgeber steigen, während berufliche Weiterbildung für die meisten Arbeitgeber nur ein überflüssiger Kostenfaktor ist.

Wieviele offene Stellen gibt es tatsächlich?

Bundesregierung, Bundesagentur für Arbeit, Bundesministerium für Arbeit und Soziales, IAB, etc. wissen nicht annähernd, wie viele offene Stellen es gibt. Eine Zahl von 1.064.000 offenen Stellen ist offensichtlich falsch, und eine Bezifferung auf 1.000 Stellen genau ist auch gar nicht möglich. Denn niemand weiß, ob einzelne Unternehmen fiktive oder echte Stellenangebote veröffentlichen, auf Vorrat suchen oder in den Umfragen aus guten Gründen falsche Angaben machen.

Selbst innerhalb der rd. 200.000 angeblichen offenen Stellen bei der Bundesagentur für Arbeit befindet sich zahlreiche Mehrfacherfassungen sowie Daten, die nicht aktuell sind, weil die Arbeitgeber die BA nicht oder verspätet über besetzte Stellen informieren.

ich wurde gebeten, die Zahl bestmöglich zu schätzen. Aufgrund meiner intensiven Beschäftigung mit dem Arbeitsmarkt und meiner Berufserfahrung als Arbeitsvermittler schätze ich die Zahl der offenen Stellen auf maximal 200.000. Das bedeutet: Von rd. 50 Mio. Erwerbswilligen / Erwerbsfähigen kommen ca. 250 “Erwerbspersonen” auf 1 offene Stelle. In Relation zu rd. 35 Mio. Erwerbspersonen, die entweder keinen Job haben oder einen besseren Job suchen, kommen ca. 175 auf 1 offene Stelle.

Lösung des Problems

Fertig ausgebildet, hoch qualifiziert, hoch erfahren, jung, billig und anspruchslos sollen Bewerber sein. Das zeigt, wie stark die Arbeitgeber am Arbeitsmarkt ihre Interessen durchsetzen können. Mit dem Arbeitsmarkt Balance System von economy4mankind dreht sich der Wind zugunsten der Arbeitnehmer.

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