Armutsstatistik Deutschland: Zahlen und Fakten

Tatsächliche Armutsstatistik Deutschland: Zahlen, Fakten, Statistiktricks

Seite zuletzt aktualisiert: 14.02.2018

Vergessen Sie die offizielle Armutsstatistik der Regierungsparteien. Nicht nur in Deutschland werden Regierungen an den Zahlen der Armut und Arbeitslosigkeit gemessen. Deshalb sind sie höchst interessiert daran, diese Statistiken in ihrem Sinne zu manipulieren.

Alle Zahlen über Einkommen und Vermögen, die auf Umfragen basieren, sind weit von den Fakten entfernt, denn:

  1. Armut gilt in Deutschland als Schande (vor allem aufgrund medialer Darstellung). Deshalb geben Arme in Umfragen ihr Einkommen und Vermögen höher an als es ist.
  2. Reiche Menschen sind hochmotiviert, ihren Reichtum zu verbergen. Bei Umfragen haben sie keinen Grund, Einkommen und Vermögen offenzulegen. Deshalb stimmen Statistiken zur Vermögensverteilung nicht annähernd.
  3. Die reichsten Menschen fehlen in den offiziellen Statistiken zur Vermögensverteilung komplett, weil sie falsche Angaben machen, nicht erfasst oder herausgerechnet werden.

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Armut wird in Deutschland immer existenzbedrohender – mit der AfD erst recht

Zahlen und Fakten zur Armut in Deutschland

So sieht es tatsächlich aus:

  • In Deutschland wächst jedes 4. Kind an oder unter der Armutsgrenze auf.
  • 800.000 Bundesbürger sind auf Armenküchen / “Tafeln” angewiesen.
  • Sogar die Tafeln (Zitat: “Der Arme hat Priorität vor dem Mülleimer”) sind durch den Geiz der Supermärkte zunehmend in ihrer Existenz bedroht.
  • Rd. 500.000 Bundesbürger haben nicht einmal ein Bankkonto.
  • Über 330.000 Menschen (wir vermuten, dass hier eher Haushalte gemeint sind) wurde 2016 der Strom gesperrt und über 6,2 Millionen Haushalten Stromsperrungen angedroht, weil sie nicht einmal Stromrechnungen von durchschnittlich 119 Euro zahlen konnten.
  • Das Statistische Bundesamt stellte in seiner aktuellsten Einkommensteuerstatistik (Fachserie 14, Reihe 7.1. für 2013, Tabelle A4 vom 28.06.2017) fest, dass die Brutto-Einkommen der Erwerbstätigen (ohne Rentner und die Mehrheit der Arbeitslosen) 2013 wie folgt verteilt waren:
    • 30% hatten ein Monats-Einkommen unter 1.116 € brutto. Das sind 817 € netto.
    • 40% aller Erwerbstätigen hatten ein Monats-Einkommen unter 1.610 € brutto = 1.168 € netto.
    • 50% aller Erwerbstätigen hatten ein Monats-Einkommen unter 2.116 € brutto. Lt. SZ-Gehaltsrechner sind das sind bei einer 3-köpfigen Familie 1.666 € netto. Abzüglich Wohnkosten in einer Großstadt bleiben einer 3-köpfigen Familie (mit Alleinverdiener) aus der unteren Einkommenshälfte der Erwerbstätigen pro Person maximal 290 € pro Monat zum Leben. Geht der zweite Elternteil auch arbeiten, geschieht dies meist immer in schlecht bezahlter Teilzeit. Das verfügbare Einkommen pro Person liegt auch dann auf Hartz 4 Niveau – für die Hälfte der erwerbstätigen Haushalte.
  • Laut IAB (untersteht dem Bundesarbeitsministerium) liegt die tatsäachtliche Zahl der Menschen mit Anspruch auf Hartz IV etwa um die Hälfte höher als die der Hartz IV-Bezieher. Eigentlich liegt die Zahl der Hartz IV-Berechtigten bei 10-12 Mio. Menschen. Hauptmotiv für den Verzicht ist (die von den Medien produzierte) Scham.
  • Lt. Sparkassenverband befindet sich über die Hälfte der Konten aller Arbeitnehmer im Minus.
  • Von 2,3 Mio. Solo-Selbständigen verdient rd. ein Drittel weniger als 1.100 € im Monat (Quelle: SWR Doku “Harte Arbeit, schlechter Lohn”, April 2017)
  • 2016 waren ca. 422.000 Menschen obdachlos.
  • Armut tötet. In Deutschland sterben Männer durch Armut lt. Robert Koch Institut 10,8 Jahre früher, Frauen 8,4 Jahre früher. Alle Politiker, die durch ihre Entscheidungen Armut erzeugen, sind folglich Mörder.
  • Immer mehr Menschen müssen “Ersatzfreiheitsstrafen” im Gefängnis verbüßen, weil sie 3-4stellige Bußgelder nicht zahlen können. Im Berliner Gefängnis Plötzensee ist in den letzten Jahren jeder 3. Insasse ein Schwarzfahrer, der das Bußgeld nicht zahlen konnte.
  • Laut Rentenversicherungsbericht 2015 des Deutschen Bundestags (Drucksache 18/6870, Seite 13) erhielten die Rentner in Deutschland 2013 durchschnittlich 1.013 € Rente, Rentnerinnen sogar nur 762 € monatlich. 2014 lag die tatsächliche Durchschnittsrente bei rd. 869 €. Durchschnittliche Rentnerinnen sind Sozialfälle, die oft auf die Unterstützung ihrer Kinder angewiesen sind und aus Scham das ihnen zustehende Sozialgeld nur sehr selten in Anspruch nehmen.
  • 2012 mussten 812.000 Rentner jobben, weil die Rente nicht reicht. 128.000 Armuts-Jobber waren sogar 75 Jahre und älter.
  • Lt. EU-SILC 2012 und Pressemitteilung Nr. 361 vom 25.10.2013 des Statistischen Bundesamts leben in Deutschland 13 Mio. Menschen (16,1%) unter der Armutsgrenze (die ohnehin manipuliert ist, siehe unten)
  • 8,4 Mio. arbeiten als Minijobber.
  • 75% der Selbständigen können sich keine Rentenversicherung leisten. 25% leben an oder unter der Armutsgrenze.
  • Rd. 30% der selbständigen Anwälte, Architekten und Journalisten leben von weniger als 1.250 € netto.
  • 7 Mio. Bundesbürger müssen von Hartz IV leben (davon rd. 1,4 Mio. erwerbstätige “Aufstocker” zu Löhnen unter
    Hartz IV-Niveau)
  • Rd. 15 Mio. Kinder, Schüler und Studenten haben außer Kindergeld und teilweise Minijobs kein Einkommen.
  • Die Niedriglöhne sind seit von 1995 bis 2008 um 14% gesunken
  • “Energiearmut” boomt. 6,9 Mio. Haushalte hatten 2014 ein so geringes Einkommen, daß sie über 10% davon für Energie ausgeben mußten.
  • 7,3 Mio. Menschen sind überschuldet/bankrott.
  • 2007-2016 mussten 1,54 Mio. Menschen in eine Privatinsolvenz gehen.

Die Situation wird von Jahr zu Jahr drastischer, und auch die Mittelschicht schmilzt von unten weg. Lesen Sie dazu:

Die untere Hälfte der Bundesbürger hat keinen nennenswerten Anteil am Gesamtvermögen in Deutschland, während die Oberschicht nicht mehr weiß, wohin mit ihrem Geld (siehe z.B. Georg Schramm). Je weiter die Schere zwischen Arm und Reich auseinanderreißt, desto mehr fällt die Gesellschaft auseinander.

Wen unser Wirtschaftssystem von ausreichender Lebensqualität ausschließt, der kündigt innerlich als Bürger und Demokrat – völlig zu Recht. Staat und Gesellschaft lösen sich langsam, aber sicher auf. Verantwortlich sind die Regierungsparteien. Das Bandbreitenmodell bietet den einzigen Ausweg. (mehr)

Manipulation der Armutsstatistik: Der Bock als Gärtner

Die Zahl der Armen ist die peinlichste aller Zahlen für jede Regierung. Ebenso wie die Arbeitslosenstatistik hat die Armutsstatistik daher ein Manipulationsproblem. Denn die Regierungen, deren Mißerfolge gemessen werden, bestimmen selbst, wer als arm gilt. Also wählen sie Kriterien, die möglichst wenige Menschen als arm definieren.

Die Bundesregierung benutzt zur Beschönigung der Armut eine völlig unbrauchbare EU-Definition. Demnach gelten nur diejenigen als arm, die weniger als 60% des mittleren Einkommens erzielen und das auch noch offen zugeben.

Die im Dunkeln sieht man nicht

Woher will die Regierung erfahren haben, wie viele Menschen über wieviel Geld verfügen? Durch die so genannte “EU-silc”-Befragung. Dabei wurden kein repräsentativer Querschnitt der Bevölkerung befragt, sondern nur diejenigen, die gut deutsch sprechen und sich freiwillig bereit erklärten, über ihre Einkünfte Auskunft zu geben. Darin liegen gleich 3 Fehlerquellen:

  1. Menschen mit schlechten deutschen Sprachkenntnissen (die in der Regel gering qualifizierte Niedrigverdiener bzw. arbeitslos sind) wurden nicht befragt.
  2. Armut ist ein Thema, das demütigt und entsprechend ungern offen zugegeben wird. Je ärmer jemand ist, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, daß er sich finanziell entblößt. Zitat aus Bertolt Brechts Dreigroschenoper: “Die im Dunkleln sieht man nicht.”
  3. Niemand hat die Antworten auf ihren Wahrheitsgehalt (Kontoauszüge, Gehaltsabrechnungen, Arbeitslosengeldbescheide, etc.) überprüft (auch der Autor dieser Zeilen gibt bei Umfragen stets ein hohes Einkommen an, das allein seiner Phantasie entsprang…).

Schon die erfaßten Einkommen sind also erheblich höher als die Realität. Und was machen die Regierungsparteien mit diesen Daten? Sie nutzen ihre Definitionsmacht.

Preise steigen – na und? Löhne sinken – wie schön für Regierungen!

Im Jahr 2002 definierten EU und Bundesregierung die Armutsgrenze bei 938 € monatlich (für einen Single). 2012 lag sie bei 979 €. Wer von nur 980 € oder 1.100 € leben mußte, war zwar arm, wurde jedoch nicht als arm mitgezählt.

Die Preise steigen Jahr für Jahr. 2002-2012 sind die Preise um 11,6% gestiegen. Also müßte eine korrekte Armutsgrenze ebenfalls um 11,6% gestiegen sein – auf 1.047 €. Stattdessen sank die Armutsgrenze 2013, weil die Einkommen gegenüber 2012 sogar nominal (ohne Berücksichtigung der Inflaton) sanken. Je weiter die Gehälter sinken, desto weiter sinkt die Armutsgrenze. Wie praktisch für Regierungen, wenn die Einkommen sinken.

Bei Familien mit 2 Kindern liegt die Armutsgrenze bei 1.650 € monatlich. Stammtisch-Hetzer finden, das sei doch recht viel. Zieht man jedoch z.B. 650 € für Miete, Heizkosten und Strom ab, bleiben pro Person lediglich 250 € monatlich zum Leben.

Mathematik für Grundschüler: 13% + 13% = 26%

Die Medien zitierten das Bundesministerium für Massen-Armut und Sozialabbau (BMAS): “13 Prozent der Bundesbürger gelten laut dem Bericht als arm, ebenso viele würden durch Sozialtransfers wie Kindergeld oder Arbeitslosengeld II vor dem Abrutschen in Armut bewahrt.”.

Kanzler/innen und Bundesarmutsminister/innen sind durchweg der Meinung, daß Menschen, die monatlich von 399 € Hartz IV leben müssen, nicht arm sind.

Im Klartext bedeutet die Zahlen jedoch: 13% der Deutschen leben unter dem Niveau von Arbeitslosengeld II bzw. Hartz IV, und weitere 13% leben auf Hartz IV-Niveau. Macht zusammen 26% der Bevölkerung, die in Armut leben – und nicht 13%. Sogar die Grünen, die als Regierungspartei für Hartz IV selbst die Verantwortung tragen, bemerken, “daß die angegebene Armutsschwelle für Familien noch unterhalb des durch Hartz IV- Leistungen gewährten Existenzminimums liegt!”

Die Armut der Mittelschicht: Zwei Drittel der Bundesbürger an der Armutsgrenze

Die Armutsgrenze (für einen Single) lag 2015 bei 979 € Monatseinkommen. Wenn man die Preissteigerungen mit eingerechnet hätte, hätte sie bei 1.047 € liegen liegen müssen. All diejenigen, die zwischen 979 € und 1.047 € Monatseinkommen liegen, gehören also zweifellos ebenfalls in die Armutsstatistik.

Aber die Realität ist noch drastischer:

Rechnet man Rentner (siehe oben), Geringverdiener und Arbeitslose zusammen, leben rd. zwei Drittel aller Menschen in Deutschland unter oder nahe an der Armutsgrenze. Die Mittelschicht rutsch ab.

Sozialstaat nach Kassenlage

Das für die Bundesregierung arbeitende Institut IAB fordert in seinem Bericht Nr. 11/2008, daß Hartz IV / ALG II so niedrig wie möglich sein müsse, um Arbeitslose besser zu Niedriglohnarbeit zwingen zu können. Auch die neoliberalen Massenmedien wie der Spiegel plädieren für einen “Sozialstaat nach Kassenlage“.

Eine Erhöhung von Hartz IV auf bescheidene 420 € (wodurch lediglich die Inflation der letzten Jahre ausgeglichen würde) würde lt. IAB bedeuten, daß 2 Mio. weitere Haushalte Anspruch auf das ALG II haben. Das heißt: 2 Mio. Arbeitnehmer (und ihre Familien) lebten 2008 in Deutschland von einem Einkommen, das um maximal 69 € über Hartz IV liegt. 2018 sieht es nicht besser aus.

Wie zynisch der “Sozialstaat nach Kassenlage” ist, erläutern die Nachdenkseiten, die Neue Rheinische Zeitung und die Bürgerstimme.

Alternatives Wirtschaftssystem: Die völlige Beseitigung der Armut

Das System ist das Problem. Die Lösung zur Beseitigung der Armut kann nur in einem alternativen Wirtschaftssystem liegen, das sämtliche Menschen fair an der enormen Wertschöpfung der Wirtschaft beteilt. Die Wirtschaft muss allen (!) Menschen nutzen – im Gegensatz zum heutigen System.

Das Economic Balance System von economy4mankind ist der einzige Weg, um dies zu erreichen.