Leiharbeit: Wohin des Weges, IG Metall?

Eine Gedankensammlung. Und ein Denkzettel.

Lange ist es noch nicht her, als die IG Metall den Tarifvertrag für Leiharbeit mit den Arbeitgebern abschloß (beschönigend auch “Zeitarbeiter” genannt). Als sogenannter “Vertrauenskörper” der Gewerkschaft bin ich natürlich als Bindeglied zwischen Belegschaft, Betriebsrat und Gewerkschaft  nah an den  Leuten und den Themen dran. Zeitarbeit ist mir nicht fremd, ich war selbst 5 Jahre lang “Leiharbeitnehmer”. Eher unfreiwillig. Um bei meinem Arbeitgeber nicht angreifbar zu sein, schreibe ich unter Pseudonym. Dem Team von economy4mankind bin ich persönlich bekannt.

Gewerkschaften: Der Verrat an den Arbeitnehmern

Aus Sicht der Arbeitnehmer (daher auch aus meiner Sicht) sollten Gewerkschaften das Beste aus den Gegebenheiten in Form von Tarifverträgen machen (es zumindest ernsthaft versuchen)  – daher ergeben sich Gedanken und Fragen:

Was die IGM da verhandelt hat  ( “Öffnung” des Tarifvertrages Leiharbeit auf bis zu 48 Monate) , hat mir zuerst ein anfänglich noch diffuses Unbehagen verschafft, meine Leiharbeitskollegen nach Bekanntwerden  mehr als verärgert und auch bei mir Unverständnis gegenüber der/den Gewerkschaft(en) hervorgerufen, nachdem mir zunehmend die Fakten und Folgen bewusst wurden.

So wie meine Kollegen, so wie ich denken auch KollegInnen mit einer Funktion innerhalb der IG Metall – hier wurde ohne Not Boden zu Lasten aller Arbeitnehmer (der Leiharbeitnehmer unmittelbar und der fest Angestellten mittelbar) den Arbeitgebern überlassen.

Erpressungs-Klassiker: “Abbau von Arbeitsplätzen”

Haben die Arbeitgeber mal wieder mit dem Abbau von Arbeitsplätzen gedroht?

Fakt ist: Die Arbeitgeber bauen ohnehin Arbeitsplätze ab, sie verlagern (in meinem Betrieb, es wird in anderen nicht sehr viel anders sein) in zunehmender Quantität Produktions-Arbeitsplätze ins Ausland. Da ändern Zugeständnisse der Gewerkschaften an die Arbeitgeber, wie wir seit inzwischen 20 Jahren wissen, nichts Grundsätzliches.

Warum sind nicht nur Leiharbeitnehmer  über diese “48 Monate” so verärgert?

Zitat:  “Leiharbeiter dürfen seit 1. April im Prinzip nur noch für 18 Monate in einem Betrieb bleiben. Nun hat mit der Metallindustrie die erste Branche eine Ausnahme von dem Gesetz vereinbart. (…) In der

Metall- und Elektroindustrie können Leiharbeiter künftig bis zu 48 Monate in einem Betrieb beschäftigt werden – statt 18 Monaten, wie es das seit 1. April in Kraft getretene Gesetz vorsieht, berichtet die “Hannoversche Allgemeine Zeitung”  Zitat Ende.

Genau deswegen!

Wieso, lieber Vorstand der IG Metall, lasst Ihr Euch auf einen derartigen “Deal” ein? Und das, obwohl es Kollegen gab,  die in der Tarifkommissionssitzung aus und mit gutem Grund gegen diese 48-Monats-Öffnung argumentierten?

Fakt ist, mit dieser „Öffnung“ bietet man den Arbeitgebern eine bequeme Möglichkeit, ihre Personalplanung auf Kosten und dem Rücken der (entliehenen) Mitarbeiter durchzuführen.

Stammbelegschaft und Leiharbeiter: Gegeneinander ausgespielt

Die Belegschaften werden ganz nebenbei weiterhin gegeneinander ausgespielt, da ist in den letzten Tagen und Wochen (neues) böses Blut entstanden – das Betriebsklima wird zunehmend giftiger. Die Arbeitgeber freuen sich. Divide et impera! Toll!

Des Weiteren:  Wo hat die IGM dann noch „Verhandlungsmasse“ und Möglichkeiten, Verhandlungsdruck aufzubauen und  auszuüben? Für mich erscheint das wie eine unnötige Kapitulation.  Den Leiharbeitnehmern ist damit jedenfalls nicht  gedient. Und ich glaube, dies wird vor allem den  Betriebsräten bei den nächsten Wahlen ganz schön auf die Füße fallen.

Denn denen obliegt es nun, Haustarife mit den Arbeitgebern zu vereinbaren – und sie stehen da alleine auf weiter Flur – mit Kollegen, die die Gewerkschaftslinie nicht mehr verstehen, die verärgert sind – und – was gegenwärtig ständig passiert – mit der Gewerkschaft in einen Topf geworfen werden. Wäre ich Betriebsrat, würde ich mich von dieser Vereinbarung distanzieren und dies auch klar als Fehler benennen, öffentlich.

Video: “Die Anstalt” zerlegt das Leiharbeitsgesetz

Inzwischen ist dieses Thema (wie hocherfreulich, lieber IGM Vorstand) auch im politischen Kabarett angekommen – man sehe sich mal die brillanten Beiträge von Wagner/Uthoff in der Sendung „Die Anstalt” an…   Selten zuvor wurden Gewerkschaften (wie ich meine, in diesem Punkt zu Recht) aufs Korn genommen.

Weitaus schlimmer für die Gewerkschaften ist jedoch die sehr wahrscheinlich in naher Zukunft eintreffende Klage des Rechtsprofessoren Wolfgang Däubler vor dem EUGH. Die Aussichten für ihn und die klagenden Leiharbeiter sind als realistisch gut zu betrachten. Mehr dazu bei labournet.

Der Schaden für die Gewerkschaften wäre immens und nachhaltig – vor allem bedeutet es eine Schwächung – in jeder Hinsicht. Selbst verschuldet durch den Vorstand der IG Metall. Dies ist keine abstrakte Bedrohung mehr – im Falle des Obsiegens wäre der Tarifvertrag nebst dem Leiharbeitsgesetz in der Abfalltonne…..wurden die Folgen im schlimmsten Fall zu Ende gedacht?

Wen vertreten die Gewerkschaften?

Denn diese Frage wird dann für immer im Raum stehen – und sie stellt sich bereits jetzt:  Wen vertreten die Gewerkschaften? Die Arbeitnehmer könn(t)en dies dann eindeutig beantworten und sich die Mitgliedsbeiträge sparen.

Die IGM muss sich ernsthaft die Frage stellen, ob sie die Folgen ihres Handelns wirklich durchdenken bzw. durchdacht haben. Ich befürchte dadurch einen Mitgliederschwund – mit allen negativen Folgen.

Als Vertrauenskörper beginne ich die Folgen bereits jetzt zu spüren:

  • Kollegen, die mir wütend den Austritt aus der IGM verkünden
  • Aussagen wie “…Ihr steckt eben doch mit den Arbeitgebern unter einer Decke…”
  • “…Ihr Arbeitnehmerverräter…”
  • “…Arbeitgeberzäpfchen…”
  • und noch ein paar Nettigkeiten mehr….

Als Gewerkschaftsfunktionär könnte man es sich einfach machen, die Satire und Publikationen wie in ZDF und Labournet als “Polemik” abtun, aber leider steckt da faktisch zu viel dahinter um es als Polemik abtun zu können. Es ist schon einigermaßen sensationell, dass eine Gewerkschaft derart in den Fokus einer politischen Kabarettsendung geriet (die durchaus von sozial geprägten Leuten gemacht wird).

Das ist die größte denkbare Ohrfeige, die man als Gewerkschaft bekommen kann.

Wann lernen die Gewerkschaften dazu?

Die SPD mit ihrer unsäglichen „Agenda 2010“ sollte doch ein warnendes Beispiel sein. Seit Jahren bekommt die SPD vom Wähler mit dem Stimmzettel „eins vors Freßbrett“ und verliert und verliert und verliert….und sie lernt nicht dazu.

Will die IG Metall diese Fehler ebenfalls begehen?

Man kann nicht ungestraft links blinken und rechts abbiegen. Wähler, bzw. Gewerkschaftsmitglieder durchschauen dies irgendwann. Die Folgen sind bekannt.