Von Jörg Gastmann, 29.01.2017

“Durch Niedrigzinsen werden Sparer schleichend enteignet“, schreiben nicht nur Hobby-Ökonomen, sondern auch „Qualitätsmedien“ wie z.B. das Manager Magazin. Der böse Herr Draghi von der EZB sei schuld daran, dass Sparbücher nichts mehr bringen. Tatsächlich profitieren fast alle von niedrigen Zinsen, wo es ihnen nicht bewusst ist. Und Niedrigzinsen schaden den meisten Bürgern gleichzeitig auf eine Weise, die auch fast niemandem bewusst ist. Räumen wir mit wichtigen Missverständnissen auf.

 

EZB (Hintergund), Geschäftsbank (Vordergrund: Commerzbank Frankfurt) – Bild: © Jörg Gastmann, economy4mankind

Gibt es ein Recht auf Zinsen?

Worauf hat ein Mensch ein Recht? Die UN-Menschenrechtserklärung von 1948 erklärt 27 Menschenrechte plus 3 allgemeine Artikel. Dies reicht vom Recht auf Leben über gleiche Rechte für alle vor dem Gesetz, Freiheit, freie Ehegattenwahl, Eigentum und Asyl bis zum Recht auf eine soziale Ordnung. Dort steht nirgends etwas von einem Recht auf Zinsen. Nirgends steht, dass Menschen ein Recht darauf haben, dass andere ihnen Zinsen zahlen. Und damit sind wir auch gleich beim wichtigsten Punkt:

Wer zahlt eigentlich Zinsen?

Angenommen, Sie besitzen ein Sparbuch oder ein verzinstes Girokonto, und Ihre Bank überweist Ihnen einen Betrag X als Guthabenzins. Haben Sie sich jemals gefragt, wo diese Zinsen eigentlich herkommen? Wahrscheinlich von ihnen selbst. Und zwar als Teil Ihrer Ausgaben.

Folgen wir dem Weg des Geldes. Woher hat die Bank den Zinsertrag, den Sie Ihnen überweist? Nehmen wir die 5 wichtigsten Quellen:

  1. Kredite an Verbraucher / Privatkunden. Entweder ist es ein Kredit direkt an jemanden wie Sie. Und schon haben Sie den Zins selbst bezahlt. Oder ein anderer Bürger / Sparer.
  2. Kredite an Unternehmen. Die Unternehmen finanzieren damit ihre Investitionen. Die Zinskosten legen sie auf die Preise ihrer Produkte um. Die Produkte werden von den Konsumenten bezahlt. Und schon haben schon wieder Sie die Zinsen bezahlt.
  3. Banken finanzieren Hypothekenkredite für Immobilien. Die Immobilien werden verkauft oder vermietet. Der Zins der Bank (sowie die Eigenkapitalverzinsung des Investors) ist Teil der Kaufpreises bzw. der Miete. Und schon haben Sie als Mieter oder Hauskäufer Zinsen gezahlt, die am Ende zu einem winzigen Bruchteil auf Ihrem Konto landen.
  4. Banken besitzen oft Unternehmensbeteiligungen. Diese Unternehmen machen Profit. Konsumenten kaufen die Produkte der Unternehmen. Und schon haben die Konsumenten die Zinsen auf den Sparbüchern und Girokonten mit finanziert.
  5. Und schließlich spekulieren viele Banken am Finanzmarkt. Der Finanzmarkt handelt mit Unternehmensanteilen (Aktien) oder Unternehmensanleihen. Deren Gewinne finanzieren die Konsumenten – also schon wieder Sie. Banken machen auch Profite mit Anleihen an Staaten. Die Staaten bezahlen die Zinsen dafür mit Steuereinnahmen. Und die zahlen auch schon wieder Sie.

Wie man es auch dreht und wendet: Wenn man dem Fluss des Geldes folgt, zahlen die Konsumenten / Bürger alle Zinsen. Mehr über die Arten von Zinsen finden Sie unter bandbreitenmodell.de/zinsproblem.

Wie bandbreitenmodell.de/zinsproblem auch erläutert, sind Eigenkapitalzinsen (=Profite) der Hauptmotor der Umverteilung von Arm nach Reich, genau gesagt von Konsumenten an Unternehmens- und Immobilieneigentümer.

Zinsen: 2 Arten von Menschen

Hinsichtlich Zinsen gibt es 2 Arten von Menschen:

  1. Diejenigen, die weniger Zinsen einnehmen, als sie zahlen. Ihr (meist nicht vorhandenes) „geldvermehrendes“ Vermögen – also vor allem Immobilien und Unternehmensbeteiligungen – bringen weniger Zinsen als sie zahlen. Zu dieser Kategorie gehören in Deutschland ca. 95% aller Menschen. Weltweit dürften es 98% sein. Helmut Creutz hat für Deutschland bereits in den 1990er-Jahren einen Wert von 90% Menschen berechnet, die mehr Zinsen zahlen, als sie einnehmen (siehe Präsentation ganz unten auf dieser Seite, Folie 25).
  2. Diejenigen, die mehr Zinsen einnehmen, als sie zahlen. Das ist eine Minderheit von ca. 20% in Deutschland und 5-10% weltweit. Dazu gehören Aktienbesitzer, der Aktien durch Niedrigzinsen nach oben getrieben wurden (“Anlagenotstand”) sowie Immobilienvermieter und -verkäufer.

Warum es keine hohen Zinsen mehr geben kann

Beim irren libertären “Bund der Steuerzahler” (BdSt), der den Staat fast völlig abschaffen möchte, weil er zu teuer sei, gibt es die berühmte Staatsschuldengrafik, die seit den 1990er-Jahren steil nach oben schoss. Seit 2010 ist die Schuldenkurve zum Ärger des BdSt fast völlig flach. Das heißt: Niedrigzinsen haben das Staatsverschuldungsproblem zumindest in Deutschland zum Teil in den Griff bekommen (der andere Teil liegt in der Schuldenbremse, mit der Herr Schäuble notwendige Investitionen einfach unterlässt. Warum das ein Schildbürgerstreich ist, lesen Sie hier).

Zu den Hauptprofiteuren niedriger Zinsen gehören alle Staaten. Halb Europa, Japan und die USA würden in kurzer Zeit kollabieren, wenn die Zinsen hoch wären. Ebenso praktisch der gesamte Rest der Welt von Südamerika über Afrika und Russland bis nach China.

Deshalb können die EZB, die FED und die anderen Zentralbanken nie wieder die Zinsen nennenswert erhöhen. Zumindest nicht im heutigen System.

fed federal reserve bank washington usa

US-Zentralbank Federal Reserve Bank (FED) in Washington D.C. – Bild: © Jörg Gastmann, economy4mankind

Und hohe Zinsen sind auch überhaupt nicht erstrebenswert:

Von Niedrigzinsen profitieren “fast” alle

Da die Schulden öffentlicher Haushalte durch Steuern finanziert werden müssen, profitieren von Niedrigzinsen alle Steuerzahler. Auch Armutsrentner und Hartz IV-Bezieher, die sonst teurere Produktpreise und / oder eine höhere Mehrwertsteuer zu tragen hätten.

Wenn Sie zu den mindestens 80% gehören, die mehr Zinsen zahlen als einnehmen, liegt es auf der Hand, dass Sie von Niedrigzinsen profitieren. Denn dann sinken Ihre Zinskosten stärker als ihre Zinseinnahmen.

“Fast” bedeutet, dass es so einfach auch wieder nicht ist. Alle müssen irgendwo wohnen. Und das Wohnen wird durch eine Kombination aus Niedrigzins und passiver staatlicher Baupolitik zum Problem der unteren 80%:

Der unbewusste Schaden: Niedrigzinsen verursachen Inflation bei Immobilienpreisen

Es gibt in Deutschland keine nennenswerte Inflation? Falsch. Es gibt sogar eine ganz erhebliche Inflation, die erstaunlicherweise in den Medien nicht als solche benannt wird: Die Inflation bei Kaufpreisen und Mieten von Immobilien.

Mit Anleihen kann man bei Niedrigzinsen nichts verdienen. Aktien sind (auch befeuert durch Niedrigzinsen, als Alternativen zu Anleihen) zu einem hoch spekulativen Kurs-Gewinn-Verhältnis getrieben worden. Niedrigzinsen machen es für reiche Kapitalanleger, die ohnehin nicht wissen, wohin mit ihrem überflüssigen Geld, daher sehr attraktiv, in sichere Renditen mit Immobilien zu investieren.

Diese Renditen muss jemand zahlen. Dieser jemand sind wahrscheinlich auch wieder Sie. Und zwar entweder als Mieter, weil Investoren die Miete erhöhen und Neuvermietungen zu Wucher werden. Oder weil Kaufpreise für Wohnungen und Häuser explodiert sind.

Das Gravierende dabei ist, dass Immobilien durch ihre hohen Preise / Werte (bzw. an den Ausgaben Ihres gesamten Lebens) einen weitaus höheren Anteil an Ihrer persönlichen Inflation haben als Lebensmittel, Energie oder Möbel. Deshalb ist der Schaden durch Niedrigzinsen nicht für Sparer, sondern für Mieter und Immobilienkäufer, die ihre Immobilie selbst bewohnen, am höchsten.

Problemlösung: economy4mankind

Dieses Problem kann die EZB nicht lösen. Dieses Problem könnte nur der Staat durch den massiven Bau guter Wohnungen in guter Lage (in Städten z.B. 8-geschossig) lösen. Der beste Weg gegen hohe Preise ist ein Überangebot in guter Qualität. Der Staat könnte massenhaft bauen, und die Wohnungen / Häuser zum Selbstkostenpreis an Bewohner abgeben. Er könnte sie sogar subventionieren und zu sehr niedrigen Preisen an Selbstnutzer abgeben. Die Mittel dafür bieten die Umsatzprovisionen von economy4mankind. Warum es dadurch keine Inflation gäbe? Erstens, weil Inflation nicht anderes ist als ein Index für Preissteigerungen, und der größte Ausgabenblock aller Bürger drastisch billiger würde. Zweitens durch Inflations-Bekämpfungs-Unternehmen.

Wirkliche Enteignung nur durch negativ-Zinsen

Eine wirkliche Enteignung würde ausschließlich durch Negativ-Zinsen auf Bankkonten stattfinden. Was zum Abheben sämtlicher Guthaben von Bankkonten führen würde. Was wiederum bedeutet, dass dies nur durch eine Bargeldabschaffung umsetzbar wäre. Deshalb ist die Abschaffung von Bargeld bei Politikern so beliebt.

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