Arbeitslosigkeit und Niedriglohn – die 5 wichtigsten Ursachen

Arbeitslosigkeit und Niedriglohn – die 5 wichtigsten Ursachen

Die wichtigsten Ursachen von Arbeitslosigkeit und Niedriglohn werden von Regierungen und “Experten” ignoriert. Da wundert es nicht, dass die Arbeitslosigkeit langfristig unaufhaltsam weiter steigt (Zahlen ab 2005 sind durch Hartz-IV-Statistik-Tricks extrem manipuliert und nicht mehr vergleichbar).

arbeitslosigkeit deutschland zeitreihe 1970 hartz4In wellenartigen Stufen steigt der Sockel der Arbeitslosigkeit immer weiter an, verharrt einige Zeit auf ähnlichem Niveau und sinkt kurzzeitig jedes Mal ein wenig, um anschließend weiter zu steigen.

Die Wellenform ist konjunkturbedingt. Der generelle Aufwärtstrend ist systembedingt.

Dass die Arbeitslosigkeit in Deutschland nicht weitaus höher ist, liegt daran, dass Deutschland seine Arbeitslosigkeit zum Großteil exportiert: Im globalen Wettbewerb um Produktivität und Lohnstückkosten werden z.B. mehr Griechen, Italiener oder Spanier arbeitslos, wenn die Arbeitsplätze deutscher Exporteure immer produktiver werden (siehe unten, Punkt 3). Wäre Deutschland ein geschlossenes System, würden die im Folgenden genannten Faktoren voll auf den inländischen Arbeitsmarkt durchschlagen.

2018 erfüllen lt. Bundesagentur für Arbeit (BA) in Deutschland “nur” rd. 3 Mio. Erwerbsfähige die amtliche Definition der Arbeitslosigkeit. Hinzu kommen rd. 1,5 Mio. Arbeitslose, die an “Fördermaßnahmen” teilnehmen und durch Beschluss der Regierungsparteien nicht mitgezählt werden. Macht rd. 4,5 Mio. Arbeitslose, die sich bei der BA arbeitslos gemeldet haben. Hinzu kommen viele Millionen Menschen, die Arbeit suchen, aber weder Arbeit finden noch einen Anspruch auf Arbeitslosengeld haben und sich daher auch nicht bei der BA melden: Hausfrauen in Bedarfsgemeinschaften, unfreiwillige Frührentner (u.a. 58er-Regelung, unbezahlte Praktikanten, perspektivlose Hauptschüler, die die 10. Klasse wiederholen, um die Noten zu verbessern, Studenten, die mangels Job weiter studieren, etc.

Nie wurden Arbeitslosenstatistiken so manipuliert wie heute. Die tatsächliche Arbeitslosigkeit (inclusive der Arbeitslosen, die nicht mitgezählt werden) liegt in Deutschland bei über 10 Millionen nicht erwerbstätigen Erwachsenen zwischen Ausbildung/Studium und Rente, die arbeiten wollten, wenn es Jobs für sie gäbe. Und die tatsächliche Arbeitslosigkeit steigt nicht konjunktur- sondern systembedingt langfristig in Wellenbewegungen immer weiter.

Im economy4mankind-Blog lesen Sie mehr über die tatsächliche Einkommensverteilung und Arbeitslosenquote in Deutschland.

Ursache Nr. 1: Profitmaximierung und Kostendruck durch den Wettbewerb in einer ungezügelten Marktwirtschaft

Sämtliche Unternehmen der weltweiten Marktwirtschaft können nur überleben, wenn sie genügend ihrer Produkte verkaufen können. Dabei müssen sie Preise erzielen, die zumindest kostendeckend sind. Da die meisten Produkte in einem harten Wettbewerb stehen, sind am Markt nur relativ niedrige Preise durchsetzbar. Folglich sind die Unternehmen gezwungen, die Kosten auf das geringstmögliche Maß zu senken.

Die größten Kostenfaktoren sind die Lohnkosten der Angestellten. Also haben Unternehmen in unserem heutigen System überhaupt keine andere Wahl, als so wenig Menschen wie möglich zu beschäftigen und die Löhne der Übrigen so weit zu drücken, wie es das Überangebot an Arbeitsuchenden und der Gesetzgeber zulassen.

Ursache Nr. 2: Automation

Die Produktionstechnologie wird vor allem seit dem Beginn des Siegeszugs der Computer in den 1970er-Jahren immer leistungsfähiger und immer billiger. Der ewige betriebswirtschaftliche Zwang zur Kostensenkung (siehe Ursache Nr. 1) treibt den Erfindungsreichtum der Rationalisierer immer weiter an. Immer kompliziertere menschliche Arbeit kann (bei oftmals höherer Qualität) durch Maschinen / Roboter / Computer kostengünstiger ersetzt werden – sogar in Niedriglohnländern.

Der Wettbewerb zwingt die Unternehmen, den Rationalisierungswettlauf immer weiter fortzuführen. Ergebnis: Immer mehr Menschen werden produktionstechnisch überflüssig – auch in Bürojobs und bei Dienstleistungen (siehe u.a. Entlassungen bei Banken, Versicherungen und Telekommunikationsdienstleistern). Das sah schon 2005 Jeremy Rifkin in einem Interview mit der Stuttgarter Zeitung voraus. Hören Sie dazu auch economy4mankind-Sprecher Jörg Gastmann im Interview mit dem öffentlich-rechtlichen Radio 100,7 aus Luxemburg.

Ursache Nr. 3: Ewige Produktivitätssteigerungen

Die Steigerung der Produktivität ist eine Folge von Automation (siehe Ursache Nr. 2) und Rationalisierungen der Produktionsprozesse. Sie bedeutet, dass pro Arbeitnehmer immer mehr Güter/Leistungen produziert werden. Daraus folgt gleichzeitig, dass zur Produktion einer bestimmten Menge Güter/Leistungen immer weniger Menschen erforderlich sind. (mehr):

  • Während z.B. die weltweite Industrieproduktion von 1995 bis 2002 um 30% stieg, wurden 11% aller Industriearbeitsplätze überflüssig.
  • Von 1991 bis 2008 ist die Zahl der jährlich geleisteten Arbeitsstunden in Deutschland von 17 auf 11 Milliarden Stunden gesunken.
  • Im Jahr 2003 waren in Deutschland 9 Arbeiter so produktiv wie 10 Arbeiter nur 2 (!) Jahre zuvor.
  • 1991 war für 45% aller Deutschen die Erwerbsarbeit die wichtigste Einkommensquelle. Bereits 2002 waren es lt. Statistischem Bundesamt nur noch 40%.
  • 2015 ernähren nur noch rd. 33% Erwerbstätige die übrigen 67% der Bevölkerung.

Dieser Trend läuft weiter, so lange es den technischen Fortschritt gibt – also immer. Mit Produktivitätssteigerungen die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen ist ebenso kontraproduktiv wie ein Feuer mit Benzin zu löschen.

Ursache Nr. 4: Ewiger Globaler Wettbewerb bei Lohn, Bildung und Produktivität

Arbeitnehmer aus Niedriglohnländern (hauptsächlich Asien) sind weitaus billiger als z.B. Westeuropäer. Der Lohnabstand bleibt mittelfristig gewaltig, weil dort hunderte Millionen Arbeitsuchende nachdrängen. Für das Jahr 2025 erwartet die UNO zudem rd. 1,4 Mrd. zusätzliche Erdenbürger. Dann werden global rd. 6 Mrd. Erwerbsfähige gegenseitig ihre Löhne unterbieten müssen, um irgendwie zu überleben.

Selbst wenn langfristig die Prognose der Experten eintritt, dass in den Niedriglohnländern die Löhne etwas steigen, kann dies nicht ausreichen, um das Lohngefälle zu Industrienationen wie Deutschland nennenswert zu verringern. Zudem schlägt die andere Seite dieser Zwickmühle zu: Je höher die Löhne steigen, desto stärker sind z.B. die chinesischen und indischen Unternehmen gezwungen (ebenso wie seit den 1960er-Jahren die Japaner und seit wenigen Jahren die Osteuropäer), auf hochwertige Produkte umzusteigen und den Industrienationen auf ihren existentiell wichtigsten Märkten Konkurrenz zu machen – bei ähnlicher Qualität zu wesentlich niedrigeren Preisen.

Der globale Bildungswettbewerb führt auch zu immer mehr hochqualifizierten Arbeitnehmern in Niedriglohnländern. Deren steigende Qualifikation baut den Wissensvorsprung der Industrienationen immer weiter ab, so daß unsere Existenzgrundlage schwindet. Es ist für die Arbeitnehmer der bisherigen Industrienationen unmöglich, einen ausreichenden Bildungs- und Produktivitätsvorsprung zu wahren.

Ursache Nr. 5: Das „Mismatch“ zwischen Bedarf und Qualifikation

Die Evolution des Menschen verläuft extrem langsam. Ein Mensch, der vor 5.000 Jahren geboren wurde, hat die gleiche Hirnkapazität wie ein Mensch, der heute geboren wird. Die Evolution der Technologie (und damit auch der Jobs) verläuft hingegen rasant. Daraus folgt: Die Lücke zwischen dem, was ein durchschnittlicher Mensch leisten kann, und der Leistung, die Arbeitgeber verlangen, reißt immer weiter auseinander. Die ewig steigenden Anforderungen haben zur Folge, daß immer mehr Tätigkeiten für durchschnittlich begabte Menschen unerreichbar sind. Wir haben einen “Arbeitsmarkt für Olympiasieger”, der systembedingt die Mehrheit der Arbeitnehmer zu Verlierern macht.

So lange der technische Fortschritt nicht stehen bleibt, wandelt sich die Arbeitswelt – also immer. Alte Berufe/Aufgaben fallen weg, neue entstehen. Die neuen Berufe/Jobs sind jedoch nicht nur zahlenmäßig weitaus weniger als die alten – sie stellen auch immer höhere Anforderungen. Deshalb haben immer mehr Arbeitswillige mit veralteten / unerwünschten Eigenschaften (Qualifikation, Alter, etc.) trotz offener Stellen keine Chance mehr am Arbeitsmarkt.

Auch der Qualifikationswettbewerb verschärft sich parallel zum technologischen Fortschritt. Wissen veraltet immer schneller.

Fazit

Alle bisherigen Rezepte zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit können folglich nicht funktionieren. Statt also wie bisher mit Druck auf Arbeitslose, Niedriglöhnen und familienfeindlichen Arbeitszeiten sinnlos an den Symptomen herumzubasteln, muß man die Ursachen der Arbeitslosigkeit beseitigen. Wie das möglich ist, lesen Sie in der “Kurzversion”.