Bayer, Monsanto und das Versagen des Journalismus

Von Dirk Westerheide

Bayer, Monsanto und ihr skrupelloses Geschäftsmodell – ist die Welt noch zu retten?

Das Geschäftsmodell von Monsanto ist ganz einfach. Zuerst wird ein gentechnisch verändertes Saatgut gewonnen. Dann gibt es das passende Pestizid, Fungizid oder Herbizid dazu. Schließlich lässt man sich das Saatgut patentieren. Und fertig ist der (wirtschaftliche) Erfolg. Denn die Chemikalie tötet alles ab, was nicht das Monsanto-Saatgut ist, nichts anderes wächst mehr auf den Anbauflächen. Da aber dieses Saatgut nur von Monsanto angeboten wird und patentiert ist, muss es von Monsanto auch gekauft werden. Ebenso die Chemikalie. Es zwingt die Bauern, die zunächst mit Billigangeboten und anderen Verlockungen als Kunden gewonnen werden, weltweit in die totale Abhängigkeit. Und wer sich dagegen wehrt, wird mit Klagen überzogen.

Auf dem Weg zum Saatgut-Monopolisten

Auf diese Weise hat der Saatguthersteller Monsanto aus Missouri/USA es geschafft, dass 90 Prozent aller gentechnisch veränderten Pflanzen weltweit von ihm stammen. Dieses Unternehmen möchte sich jetzt der deutsche Chemiegigant Bayer für 66 Milliarden Dollar (56 Milliarden Euro) einverleiben, die Genehmigung dieser Fusion durch die EU wird für April 2018 erwartet, dann werden wohl andere Behörden unter Berufung auf die EU nachziehen. Derzeit fusionieren auch Dow Chemical und DuPont sowie ChemChina und Syngenta; in der Folge entsteht ein Oligopol aus drei Konzernen, die bald 60 Prozent des Weltsaatgut- und 65 Prozent des Pestizidmarktes kontrollieren. Der größte wäre Bayer/Monsanto, ohnehin schon quasi Monopolist des gentechnisch veränderten Saatguts.

Glyphosat, “Roundup ready”

Dass durch dieses Geschäftsmodell die Böden der Anbaugebiete vergiftet, das Grundwasser mit Pestiziden, Herbiziden und Fungiziden verseucht wird und immer mehr Lebensmittel Rückstände von z. B. dem Herbizid Glyphosat (verkauft unter dem Namen „Roundup“ oder „Roundup ready“) aufweisen, dass Glyphosat selbst nach Einschätzung der zahmen Weltgesundheitsorganisation vermutlich krebserregend ist, stört offenbar weder Monsanto noch Bayer noch die Politiker, die Weiterzulassungen gern durchwinken, noch die zuständigen Genehmigungsbehörden.

“Gefälligkeits-Journalismus” bei der Rheinischen Post

Und es stört auch viele Medien in Deutschland nicht. Ein besonders gutes Beispiel dafür lieferte am 17. Februar 2018 gerade wieder die Rheinische Post aus Düsseldorf, mit einer Auflage von 350.000 Exemplaren eine der größten deutschen Regionalzeitungen.

In einem Interview mit Bayer-Aufsichtsratschef Werner Wenning vertritt der Befragte einige extreme Thesen:

„In Nord- und Südamerika, wo Monsanto 80 Prozent des Geschäfts macht, gibt es diese grundsätzliche Kritik nicht. In den USA zählt Monsanto sogar zu den beliebtesten Arbeitgebern. Die Ablehnung der grünen Gentechnik ist eher ein Thema in Europa, vor allem in Deutschland. Das liegt auch an dem Geschäftsmodell einiger Nicht-Regierungs-Organisationen, das vor allem darin besteht, Ängste vor einzelnen Technologien und Produkten zu schüren, selbst wenn es dafür – wie auch beim Herbizidwirkstoff Glyphosat – überhaupt keine wissenschaftliche Grundlage gibt.“

„Monsanto macht als Biotech-Unternehmen das, was die Natur und der Mensch seit Jahrhunderten vormachen – Saatgut weiterentwickeln und verbessern. Damit hilft Monsanto, die Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung zu sichern.“

„Wir werden auch mit Monsanto die Bayer-Standards einhalten und leben – ohne Wenn und Aber. Es darf einem Unternehmen nie nur um Profit-Optimierung gehen.“

„Hier vergessen viele, dass weltweit etwa 800 Millionen Menschen hungern. Wenn man zum Beispiel Pflanzen entwickelt, die mit weniger Wasser auskommen und mit den Folgen des Klimawandels besser umgehen können, hilft das auch afrikanischen Kleinbauern, ihre Ernten zu verbessern.“

Journalisten, die diese Berufsbezeichnung verdienen, würden bei diesen Steilvorlagen nachhaken:

  • Es ist noch nie ein Mensch durch einen globalen Mangel an Nahrung verhungert. Nahrung gab es weltweit immer im Überfluss. Es gibt also gar keinen weltweiten Bedarf an noch mehr Nahrung. Rd. 56.000 Menschen verhungern jeden Tag aus einem anderen Grund: Sie haben nicht genügend Geld, um Nahrung zu kaufen. Hunger ist also keine Frage des Nahrungsangebots, sondern eine Verteilungsfrage. Wenn es um die Bekämpfung des Hungers geht: Warum verteuern Bayer und Monsanto Nahrungsmittel durch Patentgebühren? Warum erlauben Bayer und Monsanto den Bauern nicht, einen Teil der eigenen Ernte ohne weitere Patentgebühren als Saatgut zu verwenden? Warum entwickeln Bayer und Monsanto steriles Saatgut, so dass Bauern kein eigenes Saatgut mehr züchten können, sondern für immer von teuren Bayer- und Monsanto-Saatgut und Pestiziden abhängig bleiben?
  • Inwiefern haben Saatgut-Konzerne, die mit Patentgebühren Bauern in den Ruin und in den Selbstmord treiben – davon allein in den letzten 10 Jahren 200.000 Tote im indischen „Selbstmord-Gürtel“ – keinen schlechten Ruf?
  • Wenn man Menschen fragt, welches Unternehmen weltweit den schlechtesten Ruf hat, liegt Monsanto auf Platz 1. Warum möchte Bayer diesen Ruf übernehmen und zum meistgehassten Unternehmen der Welt werden?
  • Wenn es nicht nur um Profit-Maximierung geht – warum wollen Sie dann durch Patentgebühren am Hunger verdienen?
  • Was halten Sie davon, Lebensmittel mit dem Hinweis zu kennzeichnen, dass in dessen Produktionskette genmanipuliertes Saatgut verwendet wurde?

Desinformation für Anzeigenkunden?

Und wie reagieren Rheinische Post-Chefredakteur Michael Bröcker und seine Wirtschaftsressort-Chefin Antje Höning auf dieses Gemenge aus verdrehten Fakten und glatten Lügen? Gar nicht. Es gibt keine Nachfrage, etwa zu den verseuchten Böden, zu den erwiesenermaßen gefälschten „Gegengutachten“ Monsantos, wenn es um die Gesundheitsgefährdung durch Glyphosat geht, zu den immer öfter auftauchenden Berichten gerade aus Süd- und Mittelamerika über vielfach erhöhte Krebsraten in „Glyphosatgebieten“, zu der massiven Beeinflussung von Behörden (wie etwa dem deutschen „Bundesamt für Verbraucherschutz“, das einzelne Beschlüsse sogar von Bayer/Monsanto schreiben lässt), zu den Klagen aus Afrika, dass Monsanto mit Hilfe korrupter Politiker gerade die Kleinbauern in eisernem Griff hält.

Es kommt nichts von denen, deren journalistische (und ethische) Pflicht es eigentlich wäre, nachzufragen und aufzudecken. Ist es zu weit hergeholt, wenn man vermutet, dass die RP hier auftragsgemäß ein schönes Stück Desinformation für seinen Anzeigenkunden Bayer abgeliefert hat? Oder ist es doch nur schlichte Unfähigkeit? Das gilt leider nicht nur für die Rheinische Post.

Wie es um die Moral in vielen deutschen Medien gerade beim Thema Glyphosat bestellt ist, mag vielleicht auch der Auszug aus einem Blogartikel des Journalisten Jan Grossarth am 14.09.2016 in FAZ-net in einem Blog zum Monsanto-Tribunal verdeutlichen: „Und es lässt sich Gutes sagen: Genveränderte Pflanzen brauchen weniger chemische Pestizide; die Industrialisierung der Landwirtschaft hat den größten Produktivitätssprung der Geschichte gebracht; Milliarden werden satt, die sonst nicht satt geworden wären.“ Der Film über das Monsanto-Tribunal (lief auf Arte) zeigt dann ein gänzlich anderes Bild:

Erhellend ist auch der Dokumentarfilm der Journalistin Gaby Weber „Tödliche Agrar Kultur – wie Monsanto die Erde vergiftet“: Krebskranke Bauern, nachweisliche Vergiftung der Felder und des Grundwassers.

In Deutschland wurden sogar schon Glyphosat-Rückstände im bayerischen Grundnahrungsmittel Bier gefunden.

Klagen gegen Monsanto

Aber überlassen wir den Kommentar zu dieser journalistischen „Ethik“ dem deutschen Journalisten Stig Tanzmann in seinem Blog für „Brot für die Welt“: „Solange ein deutscher Konzern ganz vorne mit dabei ist und der Mythos von Deutschland als Exportweltmeister weiter aufrechterhalten werden kann, scheint es für viele deutsche Berichterstatter nebensächlich zu sein, welche ökonomischen und ökologischen Auswirkungen diese Übernahme hat.“

Bayer ist bereit, 56 Milliarden Euro für diese Vergiftung der Erde und die Drangsalierung der Bauern zu bezahlen, moralische und ethische Einwände zählen da nicht. Aber es könnte sein, dass die Herren aus Leverkusen sich übernommen haben. Denn der Widerstand weltweit wächst.

Nach Informationen der „Wirtschaftswoche“ und Angaben der US-Kanzlei Baum, Hedlund, Aristei & Goldman sind in den USA rund 2.200 Klagen gegen Monsanto anhängig – wegen möglicher Krebsgefahr. Die Kläger beziehen sich dabei vor allem auf eine Einschätzung der Internationalen Krebsforschungsagentur, wonach der Wirkstoff Glyphosat „wahrscheinlich“ krebserregend ist. Monsanto und Bayer verweisen, wie üblich, demgegenüber auf eigene Studien, welche die Unbedenklichkeit von Glyphosat bescheinigen.

Damit lassen sich die Kläger aber nicht mehr abspeisen. „Wider besseres Wissen hat Monsanto sein Produkt als unbedenklich angepriesen“, erklärt Klägeranwalt Pedram Esfandiary. „Über Jahre wurde die Gefahr heruntergespielt und die Gesundheit der Menschen gefährdet.“ Allein 600 Klagen vertritt Esfandiarys Kanzlei. Damit stehen eventuell weitere Milliarden an Strafzahlungen für Bayer an, und die Klagen können sich über 20 Jahre hinziehen – ein permanent schwebendes Damokles-Schwert.

Verseuchung durch “Dicamba”

Ebenfalls in den USA machen zahlreiche Farmer gerade ein neues Fass auf. Dort sorgt Monsantos Unkrautvernichtungsmittel Dicamba für riesigen Ärger. Denn – wie bei Glyphosat – Dicamba erledigt auch Nutzpflanzen. Außer sie stammen aus gentechnisch verändertem Saatgut von Monsanto. Dicamba kann also eingesetzt werden, um – wie in diesem Fall – Gestrüpp zu bekämpfen. Monsanto kann den Bauern zwei Produkte verkaufen, das Saatgut und das Unkrautgift. Doch wird das Gift auf benachbarte Felder geweht, auf denen nicht-resistente Pflanzen wachsen, kann es zu großen Schäden kommen. Denn diese Nutzpflanzen sterben ebenfalls. Nach Recherchen der University of Missouri sollen im ganzen Land mehr als eine Million Hektar Sojabohnen-Felder durch Verwehungen mit Dicamba verseucht sein. Auch diese Klagen könnten teuer werden.

In Frankreich wollen die Eltern eines zehnjährigen Jungen Monsanto vor Gericht für die Behinderung ihres Kindes durch Glyphosat verantwortlich machen. Der Junge leidet unter einer Fehlbildung von Speiseröhre und Kehlkopf und muss deshalb seit seiner Geburt künstlich beatmet werden.

Südamerika bereits in Monsantos Zwickmühle

In Süd- und Mittelamerika werden immer weitere durch Monsanto verursachte Probleme aufgedeckt. Während Venezuela, El Salvador, Costa Rica und Guatemala gentechnisch verändertes Saatgut bereits verboten haben, Paraguay kurz davor steht, formiert sich beim weltweit größten Glyphosat-Kunden Argentinien der Widerstand. Zahlreiche argentinische Wissenschaftler beschäftigen sich mit den Auswirkungen des Pflanzengifts auf seine Umgebung. Damián Verzeñassi, Mediziner und Professor an der Universität Rosario, sieht die schädliche Wirkung des Mittels als erwiesen an – Atembeschwerden, Schildrüsenunterfunktionen, Missbildungen, Fehlgeburten und Krebs seien die Folge. „Wir können nachweisen, dass sich die Todesursachen in den vergangenen 20 Jahren verändert haben“, erklärte Verzeñassi.

Das Problem für Argentinien, ganz Afrika und viele weitere Länder: Sollte Glyphosat (und Dicamba) verboten werden, was dringend geboten ist, dann könnte ihr Geschäftsmodell zusammenkrachen und die ganze Volkswirtschaft gefährden. Legt nämlich zum Beispiel die EU das Verbot für Glyphosat fest, dürften möglicherweise die hoch belasteten Produkte in Europa nicht mehr eingeführt werden, die Wirtschaft der Lieferstaaten könnte zusammenbrechen. Vor dieser Gefahr schrecken (fast) alle zurück. So weit ist Monsanto schon gekommen.

Milliarden für gekaufte politische Entscheidungen

Und wie verhalten sich die Politiker in Deutschland und der EU, die die Übernahme genehmigen oder die Weiterzulassung von Glyphosat (und demnächst wohl auch die Zulassung von Dicamba) genehmigen müssen? Sie halten sich bedeckt, die Lobbyarbeit der Konzerne (gerade wurde bekannt, dass Bayer allein in den USA 9,3 Millionen Dollar jährlich für Lobbyarbeit ausgibt, in Berlin und Brüssel wird das kaum weniger sein) hat sie fest im Griff. Nur eine aufmerksame Öffentlichkeit und kritische Bürger können die schmutzigen Geschäfte stoppen. Aber mit der Öffentlichkeit ist es oftmals nicht weit her, wie gerade die Rheinische Post wieder gezeigt hat.

Ob die Shareholder bei Bayer und Monsanto noch ruhigen Gewissens in den Spiegel schauen können, ist eine andere Frage. Ihre Gier nimmt jedenfalls die Verseuchung der Natur, Verkrüppelungen und Todesfälle billigend in Kauf.

Was ist zu tun?

  1. Zukünftig muss gesetzlich geregelt sein, dass nicht Betroffene den Nachweis bringen müssen, dass Herbizide, Pestizide oder Fungizide gesundheitsschädlich sind, sondern der Hersteller muss – durch unabhängige Gutachten – nachweisen, dass sie unbedenklich sind. Und das muss genau und unabhängig geprüft werden. Im Zweifel darf es keine Zulassung geben.
  2. Patente auf Lebensmittel müssen verboten, bestehende Patente widerrufen werden. Sonst bestimmen bald einige wenige Firmen über unsere Ernährung.
  3. Der Lobbyismus muss offengelegt werden, wie es zum Beispiel die Organisation „Lobbycontrol“ seit langem fordert, im Bundestag aber besonders bei Union und FDP auf erheblichen Widerstand stößt). Damit die Politiker ihre Entscheidungsgrundlagen nicht mehr vor den Bürgern verstecken können.
  4. Entwicklungshilfe muss endlich sinnvoll eingesetzt werden, und zwar nach einem Verbot von Glyphosat gezielt dort, wo Bauern in ihrer Existenz gefährdet sind.

Tradition seit Agent Orange

Die Zusammenarbeit von Bayer und Monsanto hat übrigens eine grausige Tradition. Ältere Mitbürger werden sich noch erinnern, wie im Vietnamkrieg zwischen 1962 und 1971 von der US-Luftwaffe in mehr als 6.000 Einsätzen das Entlaubungsmittel Agent Orange eingesetzt wurde, um dem Vietkong Rückzugsmöglichkeiten zu nehmen. Wikipedia erklärt dazu: Da das Herbizid herstellungsbedingt mit 2,3,7,8-Tetrachlordibenzodioxin (TCDD) verunreinigt war, erkrankten infolge viele hunderttausend Bewohner der betroffenen Gebiete und bis zu zweihunderttausend US-Soldaten.

Die Hersteller von Agent Orange: unter anderen die US-Firma Mobay, laut der Organisation „Coordination gegen Bayer-Gefahren (CBG)“ ein Gemeinschaftsunternehmen von Monsanto und Bayer.

 

Der Autor:

Dirk Westerheide (61) arbeitete fast 20 Jahre als Sportredakteur, war Verleger und Herausgeber eigener Zeitschriften, Eventmanager, Messeveranstalter und arbeitet jetzt als Berater für ökologisch sinnvolle und nachhaltige Vermögensbildung und Altersvorsorge. Umweltschutz ist ihm ein besonderes Anliegen. Deshalb beschäftigt er sich seit Jahren mit dem Treiben von Monsanto und Bayer (das ja auch mit seinen Neonikotinoiden einer der größten Bienenkiller ist und damit der Umwelt massiv schadet).