Von Jörg Gastmann, 22.01.2016
In der Geschichte der USA war bei keinem Präsidenten die Differenz zwischen der von ihm geschürten Hoffnung und dem, was er lieferte, so groß. Es gab zwar viele schlechtere Präsidenten als Obama. Aber von Bush, Nixon & Co hat auch niemand etwas erwartet. Daher ist „Yes we can“ – Obama der enttäuschendste Präsident aller Zeiten. Eine ernüchternde Bilanz.
Obama, der begnadete Gebrauchtwagenverkäufer
Während meiner politisch aktiven Zeit in einer kleinen sozialliberalen Partei (2009-2011, Teilnahme an 3 Landtagswahlen), kamen viele Leute auf mich zu und meinten, ich müsse unbedingt wie Obama werden. Mal abgesehen davon, dass ich keinen Sinn darin sehe, dass irgendein Mensch wie ein anderer sein soll, verstand ich natürlich die eigentliche Aussage: Wer politisch erfolgreich sein will, muss ein möglichst guter Gebrauchtwagenverkäufer sein. Gerhard Schröder, Tony Blair und so viele andere bei Wahlen (!) erfolgreiche Politiker bekamen am meisten Zustimmung auf die Frage: Würden Sie dieser Person einen Gebrauchtwagen abkaufen? Und was war Obama für ein begnadeter Gebrauchtwagenverkäufer! Der begnadetste politische Schauspieler seit dem Schauspieler Ronald Reagan.
Bei seinen Reden im Vorwahlkampf war ich fasziniert, aber nie ein Fan. Das lag daran, dass ich zwar bewunderte, wie er die Massen mit „Yes we can“ begeisterte – aber nie erklärte, was er eigentlich genau kann und wie genau er das erreichen will. Ich bin jemand, der sich für Details interessiert und gern genauer hinschaut. Schauen wir mal genauer hin und fassen einige der wichtigsten Punkte kurz zusammen:
Yes, we can? Voll handlungsfähig zu Beginn seiner Amtszeit
Obama-Fans verteidigen seine gescheiterte Politik mit dem Argument, dass er eine „lame duck“ (lahme Ente) gewesen sei, also ein Präsident, der ohne Mehrheit in Kongress und Senat allein nichts ausrichten könne. Das ist falsch. Zu Beginn seiner Amtszeit hatten die Demokraten im Senat eine Mehrheit von 58:41 Sitzen im Senat und von 257:178 Sitzen im Kongress. Im Kongress hatte Obama mit den Democrats eine Mehrheit von der Amtsübernahme 2009 bis 2010, und im Senat sogar bis 2014.
Er hätte also bis 2010 alles umsetzen können, was er wollte. Offenbar wollte er „yes, we can“ nicht umsetzen.
Beispiele kritischer Medien
Vermutlich werden Sie denken: Was ist denn das für ein Unbekannter, der hier über Obama schreibt? Daher leite ich mit einigen Statements von Insidern und namhaften echten Journalisten über.
Bill Curry, Berater von Bill Clinton im Weißen Haus, schrieb auf der politischen Website salon.com:
„Ich unterhalte mich oft mit Demokraten, die nicht wissen, dass es Obamas Entscheidung war, als Präsident nicht den Mindestlohn zu erhöhen, obwohl er die Stimmen dafür gehabt hätte; dass er gewillt war, Medicare und Social Security zu kürzen, und sich entschied, weder die Verbrechen der Wall Street strafrechtlich zu verfolgen noch den Verhaltenskodex der Regierung zu reformieren. Sie wissen nicht, dass er die staatliche Option aus seiner Gesundheitsreform streichen ließ sowie die versprochenen Hilfen für die Hausbesitzer, die Opfer der Hypothekenkreditgeber wurden. Sie wissen es nicht, und sie wollen es auch nicht wissen.“
Carl Gibson, Mitbegründer von US Uncut, schreibt: „Wäre Obama ein weißer Republikaner, wäre er ein Held der Konservativen.“ Obama hat fast 9 Milliarden bei Lebensmittelmarken gekürzt – bei den Ärmsten der Armen.
Die renommierte Zeitung “The Guardian“ schreibt : „The age of Obama was the last gasp of neoliberalism. Despite some progressive words and symbolic gestures, Obama chose to ignore Wall Street crimes, reject bailouts for homeowners, oversee growing inequality and facilitate war crimes like US drones killing innocent civilians abroad.”
(Das Zeitalter Obamas war das letzte Röcheln des Neoliberalismus. Trotz einiger progressiver Worte und symbolischer Gesten entschied sich Obama, die Verbrechen der Wall Street zu ignorieren, Rettungsaktionen für Hausbesitzer zu verweigern, die wachsende Ungleichheit zu übersehen und Kriegsverbrechen zu ermöglichen, wie z.B. Drohnenmorde an unschuldigen Zivilisten im Ausland.“)
Der größte atomare Aufrüster aller Zeiten
„Obama sagt, er arbeite an einer Atomwaffen-freien Welt. Das ist eine Lüge“ stellt der Guardian fest. Tatsächlich hat er ein Aufrüstungsprogramm in Höhe von 1 Billion Dollar ($1.000.000.000.000) über 30 Jahre (das ist kein Übersetzungsfehler, auf Englisch sind es 1 Trillion Dollar. Obama entzieht während der nächsten 30 Jahre den amerikanischen Bürgern also 1.000 Milliarden Dollar (siehe „Democracy Now„). Das ist für die Eliten-Medien kein Thema. Donald Trump kann sich beim Wettrüsten gegen China und Russland zurücklehnen: Das hat Obama längst erledigt. Einen ausgiebigen deutschsprachigen Artikel über Obamas Lügen der atomaren Rüstung finden Sie bei free21.org von John Pilger.
Laut „Democracy Now“ genehmigte Obama am 23.12.2016 in einer seiner letzten Amtshandlungen im „National Defense Authorization Act“ das gigantische Militärbudget von 619 Milliarden Dollar.
Friedensnobelpreis – wofür?
Als erster Präsident der US-Geschichte war Obama jeden Tag seiner Amtszeit im Krieg. Telepolis-Herausgeber Florian Rötzer konstatierte: „Unter Obama waren die USA (unter allen US Präsidenten) am längsten im Krieg.“
Allein 2016 ließ der Herr Friedensnobelpreisträger 26.000 Bomben über Syrien. Libyen, Irak und Afghanistan abwerfen. Außenpolitisch hat er komplett versagt: Nirgends wurde das „Nation Building“ umgesetzt, nirgends hat er eine Demokratie aufbauen können. Beim Völkermord in Darfur hat er 2005 ein energisches Eingreifen gefordert, um dann gleich nach seiner Amtsübernahme mit Massenmörder Omar al-Bashir, dem Präsidenten des Sudan, zusammen zu arbeiten.
Image: Thanks to Lee Camp and Redacted Tonight
Jeden Dienstag Auftrag zu Drohnenmorden
Unter Obama wurden Drohnenmorde zur Routine. Mutmaßliche Terroristen wurden von Reaper-Drohnen mit Hellfire-Raketen eliminiert – eine Hinrichtung ohne Prozess. Jeden Dienstag wurden ihm Listen mit Zielpersonen vorgelegt, die er abnickte. Dummerweise sind die allermeisten Opfer unschuldige Zivilisten, die er als „Kollateralschäden“ bezeichnet.
Narrenfreiheit bei Kriegsverbrechen, Boykott des Internationalen Strafgerichtshofs
Die Handlungen der US-Präsidenten – vor allem bei Drohnenmorden – betrachten viele Juristen und Menschenrechtler als Kriegsverbrechen. Darüber zu urteilen, wäre Sache des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag. Obama boykottierte den Strafgerichtshof ebenso wie sein Vorgänger Bush. Für Obama, Bush (und zweifellos auch Trump) stehen die USA weltweit über dem Gesetz und beanspruchen für sich Narrenfreiheit bei Kriegsverbrechen.
Terrorpate Obama?
Politikwissenschaftler betrachten die von Bush begonnene und von Obama fortgesetzte Politik vor allem in Afghanistan, im Irak, in Libyen, im Jemen und in Pakistan als ein Hauptmotiv für Terroristen. Der „Kampf gegen den Terror“ produziert Terror. Die vielen zivilen Opfer von Obamas Drohnenmorden erzeugen Wut bei den Hinterbliebenen. Der unterlassene Aufbau der zerstörten Länder hinterließ Perspektivlosigkeit. Die Präsidenten Bush und Obama sind wahrscheinlich – wenn man es an Personen festmacht – die weltweiten Hauptverursacher von Terrorismus.
Obamas Überwachung der gesamten Welt
Die USA schufen die NSA, um weltweit alle Bürger, Politiker, Staaten und Unternehmen zu überwachen und auszuspionieren.
Obama baute die totale Überwachung auf ein Maß aus, dass George Orwells „1984“ bei weitem übertrifft.
Wenn ein Diktator in den USA an die Macht kommt, hat Obama ihm die Werkzeuge zur Totalüberwachung in die Hand gegeben.
Nachdem Edward Snowden das grenzenlose und unfassbare Ausmaß von Obamas Überwachung offenlegte, begann Obama mit der Jagd auf Snowden, bei der er sogar den Präsidenten von Bolivien zu einer Zwischenlandung zwang, um das Flugzeug zu durchsuchen. Die Diplomatische Immunität interessiert Obama nicht. Zudem übte Obama Druck auf alle Regierungen aus, damit sie Snowden das Recht auf Asyl verweigern.
Echte oder angebliche Hacker aus Russland und China sind Waisenknaben im Vergleich zu Obamas Cyber-Krieg gegen die gesamte Welt.
Das „Wahrheitsministerium“
Um die Kontrolle über die Bürger und die Bekämpfung der Opposition abzurunden, führte Obama das „Anti Propaganda Center“ ein. Lee Camp von „Redacted Tonight“ bezeichnet treffenderweise als die Einführung eines Orwellschen „Wahrheitsministeriums“ (Video wurde gelöscht…). Ziel ist nicht nur die Zensur von Meinungen, die von der der Regierung abweichen. Alles, was nach Meinung der Regierung die „nationale Sicherheit“ verstößt, wird auch strafrechtlich bekämpft.
Mit dem Scheinargument „nationaler Sicherheit“ meint Obama vor allem die Strafbarkeit und Zensur, keine unangenehmen Wahrheiten über die Regierung publizieren zu dürfen. Pressefreiheit und die freie Meinungsäußerung wurden damit von Obama de facto abgeschafft.
Lobbyist für Monsanto & Co
2007 sagte Obama: „Die Leute sollen wissen ob ihre Lebensmittel genetisch manipuliert wurden, weil Amerikaner das Recht haben zu wissen, was sie kaufen.“
2013 machte er den früheren Monsanto Vizepräsidenten Michael Taylor zum Leiter der FDA (Zulassungsbehörde für Nahrungsmittel und Pharmaprodukte).
Obama unterzeichnete Gesetz Nr. HR 933, das Konzerne wie Monsanto davor schützt, genmanipulierte Nahrungsmittel kennzeichnen zu müssen.
Neoliberaler Konzern-Lobbyist: TTIP & Co
Obama drängte die Europäer zur Unterzeichnung von TTIP – der völligen Unterwerfung der Bürger unter die Interessen der Konzerne. Gleiches hat er mit TPP im Pazifischen Raum bereits umgesetzt. Damit ist Obama ein reiner Konzern-Lobbyist, der die Interessen der Bürger verraten hat.
Robert Reich fragt zu Recht: „Warum in aller Welt promotet Obama TPP (und TTIP)?“
Fracking und die Klima-Heuchelei
Obama gilt als einer der wichtigsten Kämpfer für den Klima- und Naturschutz. Tatsächlich hat er auch hier das Gegenteil unternommen. Unter Obama boomte das extrem umweltbelastende Fracking, so dass das klimaschädliche Gas sogar exportiert werden kann.
Steueroasen für die Upper Class
Praktisch alle großen Konzerne der USA betrügen den Staat um Steuern. Dank Obama ist es weiterhin legal, sich der Steuerpflicht zu entziehen – sogar durch US-Steueroasen wie Delaware. Es ist unentschuldbar, auch hier nichts unternommen zu haben.
Schere zwischen Arm und Reich
Nie zuvor ist die Schere zwischen Arm und Reich so weit auseinander gerissen wir unter Obama. Sogar die Süddeutsche Zeitung, eine Art „Bravo“ für Obama-Fans, schreibt: „Die Reallöhne stagnieren seit Jahrzehnten, 43 Millionen Menschen leben weiter in Armut, 29 Millionen ohne Gesundheitsschutz. 50 Prozent der Einkommenszuwächse landen beim reichsten Prozent der Bevölkerung. Viele Bürger haben zwar wieder Arbeit, verdienen aber weniger als früher.“
Wie in Deutschland und fast allen anderen Staaten hat sich Obama darauf beschränkt, die Arbeitslosenstatistik nach unten zu „kloppen“, indem seine Regierung das sinnlose neoliberale Konzept anwendet, Arbeit billig wie Dreck zu machen, so dass kaum jemand davon leben kann.
Ein typischer Obama-Witz lautet:
Obama: „Ich habe Millionen neue Jobs geschaffen.“ Bürger: „Und ich habe 2 davon.“
Keine schärferen Waffengesetze
Wie wir oben gesehen haben, hatte Obama zu Beginn seiner Amtszeit die nötigen Mehrheiten für schärfere Waffengesetze. Er hätte Schnellfeuerwaffen und so viele Schusswaffen, die eigentlich nur im Krieg Sinn machen, verbieten können. Er hat es nicht getan. An den Toten der Amokläufe und an den vielen Morden in den USA tragen Obama und die Demokraten eine erhebliche Mitschuld.
Keine kostenfreie Bildung
In keinem Land sind die Studiengebühren so absurd hoch wie in den USA. Die Unterschicht und untere Mittelschicht sind von Universitäten und Colleges praktisch ausgeschlossen. Dass Bildung überhaupt Geld kostet und nicht wie in den meisten europäischen Staaten aus Steuermitteln finanziert wird, ist unentschuldbar. Hätte Obama die Steuerflucht der Konzerne beseitigt, hätte er mehr als genug Geld für kostenfreie Bildung gehabt. Es ist erbärmlich, dass er auch hier keinerlei Ambitionen zeigte. So blieb es unter ihm bei riesigen Schuldenbergen für alle, die keine reichen Eltern haben.
Armut unter dem „Food Stamp President“
Wie die „Querschüsse“ nachweisen, ist die Zahl der Bezieher von Food Stamps / Lebensmittelmarken seit Obamas Amtsübernahme von 27 auf 47 Mio. Menschen explodiert.
Obama wird auch der „Food Stamp President“ genannt. Wie jämmerlich niedrig diese Sozialleistung ist, zeigt die zuständige Behörde „Food and Nutrition Service“ FNS:
- 1-Personen-Haushalt maximal 194 $ Food Stamps
- 2-Personen-Haushalt maximal 357 $ Food Stamps
- 3-Personen-Haushalt maximal 511 $ Food Stamps
- 4-Personen-Haushalt maximal 649 $ Food Stamps
- 5-Personen-Haushalt maximal 771 $ Food Stamps
Zur Erinnerung: Obama hat die Food Stamps für die Ärmsten um 8,8 Mrd. $ gekürzt, während er die Bankster der Wall Street mit unbegrenzten Summen von ihren Fehlspekulationen befreit und fast sämtliche Wohlstandsgewinne in seiner Amtszeit an die Reichsten des Landes flossen.
Fazit
Wer sich nicht von seinen Showauftritten blenden lässt, kann Barack Obama nur als den enttäuschendsten Präsidenten in der Geschichte der USA betrachten. Vielleicht sogar als den enttäuschendsten Politiker in der Geschichte der Menschheit.
Gegenprobe: Wer war noch enttäuschender? Erdogan, Idi Amin, Pinochet, Pharao Ramses, Omar Al-Bashir, Mugabe, Xerxes, Kaiser Augustus, Trump (muss sich erst noch zeigen), Kim Jong-Un, Kim Jong-Il, Robespierre, Hitler, Sarkozy, Franco, George W. Bush, Berlusconi, Stalin, Putin, Merkel, Juncker, Nixon, Schäuble, Reagan, Ahmadinejad, Thatcher, Schröder, Torquemada, Nero, Mussolini, Ted Cruz, Lukashenko, Mao, Marcos, Netanjahu, Gabriel, Mißfelder, Attila der Hunne, Baby Doc Duvalier, König Fahd von Saudi Arabien, König Abdullah von Saudi-Arabien, Kaiser Wilhelm der II., Gaddhafi, Caligula, Ivan der Schreckliche, Heinrich der VIII., Chomeini, Pofalla, Vlad der Pfähler, Brüderle, Göring-Eckardt, Blair, …? (nette Liste, nicht wahr?)
Von denen hat niemand viel oder überhaupt etwas Positives erwartet. Also konnten sie nicht so sehr enttäuschen wie „Yes we can“-Obama, der die Erwartungen so hoch geschraubt hat.
Wie gesagt: Es gibt noch schlechtere Politiker als Obama. Aber niemand erfüllt die Definition von Enttäuschung so sehr: Die Differenz zwischen Erwartung/Hoffnung einerseits und Taten/Realität andererseits.
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