Gütersloh will bedingungsloses Grundeinkommen

Nicht ganz. Genau genommen lag die Zahl der Wähler, die bei der Bundestagswahl das „Bündnis Grundeinkommen“ wählten, laut Bundeswahlleiter bei 97.386 Wählern. Das entspricht etwa der Einwohnerzahl von Gütersloh. Oder 0,2%. Ein Fiasko, wenn man bedenkt, wie bekannt das Thema ist und wie viel mediale Aufmerksamkeit es genießt. Ein noch größeres Fiasko, wenn man bedenkt, dass sogar 99,6% aller BGE-Befürworter ihre Stimme anderen Parteien (oder gar keiner) gaben.

Reinfall mit Ansage

Unter „Grundeinkommenspartei verschenkt ihr Potential“ hatten wir es treffend prognostiziert: „So lange die Funktionäre der Partei nicht ergebnisoffen alle Modelle evaluieren wollen, und an der unsinnigen Idee festhalten, dass die Konsumenten / Arbeitnehmer über hohe Steuern ein BGE auf Hartz IV – Niveau finanzieren sollen, wird die Partei auf der Stelle treten.“

Genau das ist nun passiert. Das Bündnis Grundeinkommen verweigert sich der Modelldiskussion und lässt dadurch alle Gegenargumente einfach unbeantwortet wie z.B.:

  • Kapitulation vor Arbeitsplatzverlusten
  • Preissteigerungen und Verlust der realen Kaufkraft
  • Boom bei Leiharbeit
  • Boom im Niedriglohnsektor durch Missbrauch als Kombilohn
  • Fehlende Mehrheitsfähigkeit durch zu hohe Belastungen der Bürger

99,6% Ablehnung der BGE-Befürworter als Erfolg gefeiert

Der Vorstand des Bündnis Grundeinkommen hat von den etablierten Parteien gelernt, auch krachende Niederlagen als Erfolg schönzureden. In ihrem Statement zum Wahlergebnis feiert der Bundesvorstand die 0,2% als großen Erfolg, obwohl – Zitat – „52% der Deutschen schon heute die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens befürworten.“

Die Frage muss erlaubt sein: Warum haben dann selbst unter den Befürwortern nur 0,4% der Partei ihre Stimme gegeben? Oder umgekehrt: warum haben 99,6% all derer, die ein Grundeinkommen befürworten, der Grundeinkommenspartei keine Stimme gegeben?

Meine Perspektive als Ex-Vorsitzender einer Kleinpartei

Ich war von 2009-2011 Bundesvorsitzender einer Kleinpartei (die es seit 2014 nicht mehr gibt) und habe dabei aufschlussreiche Erfahrungen gesammelt.

Im Unterschied zum Bündnis Grundeinkommen, dessen Thema die große Mehrheit der Wähler kennt und das rd. die Hälfte „grundsätzlich“ positiv bewertet, wurden wir – wie alle anderen Kleinparteien  (bis auf Rechtsextreme) von den Medien komplett totgeschwiegen. Einzige Ausnahme war der Telepolis-Artikel „Die Partei zur Entmachtung der Parteien“. Bei den Massenmedien hatten wir als Kleinpartei keine Chance auf Berichterstattung, und damit keine Chance auf Wähler.

Worauf ich hinaus will: Im Unterschied zum Bündnis Grundeinkommen haben wir uns im Bundesvorstand und in den Landesvorständen permanent gefragt, was wir verbessern können, um mehr Erfolg zu haben. Selbst mit unserem wichtigsten Alleinstellungsmerkmal – immerhin der Beseitigung von Arbeitslosigkeit durch die Verknüpfung von Inlands-Geschäften und Inlands-Beschäftigung – war es nicht möglich, Medienberichte zu erhalten. Als ich erkannt habe, dass man ohne ein bereits bekanntes und populäres Thema keine Chance hat, habe ich mein Engagement nach 3 Teilnahmen an Landtagswahlen eingestellt. Ganz anders ist die Situation beim Bündnis Grundeinkommen:

Die Kleinpartei mit der größten Medienpräsenz

Das Bündnis Grundeinkommen hat diese Probleme nicht. Man muss schon hinterm Mond  leben, um noch nie etwas vom BGE gehört zu haben. Daher genoss die Partei das Privileg einer sehr umfangreichen, größtenteils wohlwollenden Berichterstattung. Kleine Auswahl:

Mehr PR geht nicht

Hinzu kam ein umfangreicher Strassenwahlkampf und ein noch massiverer Wahlkampf in den sozialen Medien. Alle der zahlreichen BGE-Initiativen haben dafür geworben. Und das alles bezog sich nur auf die Partei. Die Liste der Berichte über die Grundidee des Grundeinkommens ist endlos. Mehr PR geht eigentlich nicht für eine Kleinpartei.

Wenn trotz alldem nicht mehr herauskommt als 0,2% bzw. 99,6% Ablehnung sogar unter der Sympathisanten, dann MUSS sich der Bundesvorstand fragen, wie man mehr Erfolg haben könnte.

Reichlich nebensächlich ist zum Beispiel die Festlegung des Logos, das u.a. laut Vorstandssitzung vom 27.04.2017 „das Thema ist, dass seit der Gründung viele Menschen elektrisiert“…

Und nochmal: Das Modell ist der Schlüssel zum Erfolg

Im Statement nach der Bundestagswahl schreibt der Vorstand: „Auch viele Vertreter aus der Wirtschaft sprechen sich offen für diese zukunftsweisende Idee aus.“ Logisch. Denn die alten BGE-Modelle senken als Kombilohn die Lohnkosten und lassen den Niedriglohn boomen.

Wenn die Macher des „Bündnis Grundeinkommen“ das Potential des BGE ins Parlament bringen wollen, müssen sie sich auf die Wähler konzentrieren und Antworten auf die Gegenargumente bieten.

Unter „Antwort auf BGE-Gegenargumente: Das „Steuerspar-BGE“ finden sie diese Antworten. Wenn es ihnen gelingt, damit die Öffentlichkeit zu erreichen, ist der Einzug in den Bundestag bei der nächsten Wahl wahrscheinlich.

Wenn der Vorstand aber weiterhin glaubt (siehe Statement zur Bundestagswahl), „Die Debatte über dieses wichtige Thema hat erst begonnen“ und weiter ignoriert, dass seit einem halben Jahrtausend (seit 1516) darüber debattiert wird, debattieren sie in den nächsten 500 Jahren noch.

Was muss passieren, damit der Vorstand ALLE BGE-Modelle neutral und ergebnisoffen evaluiert? Wie wäre es, mit dem „Steuerspar-BGE“ in den nächsten Wahlkampf zu ziehen? Highlights:

  • Mindestens 2.000 € monatlich
  • Von der Wirtschaft finanziert
  • Keine Preiserhöhungen
  • Beseitigung der Arbeitslosigkeit bei sinkenden Arbeitszeiten und steigenden Gehältern
  • Keine Leiharbeit mehr möglich
  • Kein Niedriglohn mehr möglich
  • Mehrheitsfähig

Bitte erst das Konzept lesen, dann kommentieren (wo auch immer dieser Artikel geteilt wird). Wenn Sie monieren, dass der Ton bei diesem x-ten Versuch, die Vertreter alter (oder keiner) BGE-Modelle zum Weiterdenken zu bewegen, zu undiplomatisch ist:

Wir versuchen bereits seit 2006 mit „Engelszungen“, Götz Werner und seine Fans zum Weiterdenken zu bewegen. Hat auch nichts gebracht. Und wenn das Bündnis Grundeinkommen stur wie die SPD am „weiter so“ festhält, wird es vielleicht eine neue BGE-Partei geben, die Erfolg haben will und eine zielorientierte, klare Sprache schätzt.